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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße
Autoren: Philip K. Dick
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Stürme der Angst kennen. Er ahnte, dachte er, wie er mit dem Nichts Schluß machte. Ein verstümmelter Teil einer Bemerkung von Mr. Job und dann – wie Smith sagte – Bumm. Das Bild von Mr. Job, wie er sich abstellt, ist das ultimate Antlitz von schwarzem Eisen, altem Eisen aus antideluvianischen Zeiten. Die ultimate Zurückweisung. Wenn es eine übernatürliche Taubheit gibt, dachte er, dann drückt sie sich darin aus: wenn die Münzen, die man in Mr. Job hineinsteckt, ausgehen.
    Smith sagte: »Kann ich dir – schnell – noch eins von den meinen geben? Dieses kam von dem Übersetzer aus Namangan. Hör zu.« Er fingerte fieberhaft mit langen, klassisch geformten Fingern an seinem eigenen zusammengefalteten Blatt Papier herum. »Gesiebtes wohlhabendes Chlor«, sagte er, »ein berühmter Film, ungefähr aus dem Jahre…«
    »Die glorreichen Sieben«, sagte Joe gleichgültig.
    »Ja! Du bist direkt draufgekommen, Fernwright, wirklich direkt drauf, mit jubelnd emporgeworfenen Armen und wedelndem Schwanz. Noch eins? Leg nicht auf! Ich hab hier ein wirklich Gutes!«
    »Gib es Hirschmeyer in Berlin«, sagte Joe und hängte ein.
    Ich sterbe, sagte er zu sich selbst.
    Als er in seinem zerschlissenen, alten Stuhl saß, bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß die rote Warnlampe seiner Rohrpost aufleuchtete. Sie konnte höchstens seit fünf Minuten in Betrieb sein. Merkwürdig, dachte er. Vor 13.15 Uhr nachmittags wurde doch keine Post zugestellt! Oder es mußte sich um eine Sonderzustellung handeln. Er drückte auf den Knopf. Ein Brief rutschte durch das Rohr. Sonderzustellung. Er öffnete ihn. Auf dem Bogen, den er aus dem Umschlag zog, stand:
     
    TOPFHEILER, ICH BRAUCHE DICH.
    ICH WERDE BEZAHLEN.
     
    Auf dem Umschlag war weder eine Unterschrift, noch eine Adresse, außer der von Joe. Mein Gott, dachte er, das muß etwas ganz Wichtiges und Großes sein! Er drehte langsam seinen Stuhl herum, bis er genau auf die rote Warnlampe blickte. Er würde warten. Solange, bis es kommt, dachte er. Wenn ich nicht bis dahin verhungert bin. Dann gab er sich einen Ruck. Nein, freiwillig werde ich nicht sterben, jetzt nicht! Ich will leben und ich werde warten, ich werde warten! Er wartete.
     
2
     
    An diesem Tag kam keine Post mehr, und Joe Fernwright ging müde und enttäuscht nach Hause.
    Sein Zuhause bestand aus einem Zimmer in der obersten Etage eines riesigen Appartementhauses. Früher war die Jiffi-View Company von Groß-Cleveland alle sechs Monate gekommen, um ihm die dreidimensionale Projektion ›Blick auf Carmel, Kalifornien‹, die sein Fenster, oder genauer gesagt, Ersatzfenster, ausfüllte, neu zu installieren. Seit einiger Zeit jedoch hatte er aus finanziellen Gründen die Dienste der Gesellschaft nicht mehr in Anspruch genommen. Er hatte es aufgegeben, sich einzubilden, auf einem großen Hügel mit Blick auf das Meer und riesige Wälder zu leben; er hatte sich resigniert damit abgefunden, auf lebloses schwarzes Glas zu schauen. Und, als ob das nicht schon genug wäre, hatte er noch das Mietverhältnis für seinen Psychostimulator auslaufen lassen.
    Dieses Gerät, das in einer Nische seines Zimmers installiert war, hatte sein Gehirn gezwungen, daran zu glauben, daß sein Ersatzfenster mit dem Blick auf Carmel echt war.
    Sein Gehirn wurde nicht mehr getäuscht, und auf seinem Fenster tauchte kein schöner Anblick mehr auf.
    Eine Zeitlang hatte ihm das Museum für historische Kunstgegenstände in Cleveland regelmäßig Aufträge erteilt. Mit seinen Geräten hatte er viele Fragmente wieder zusammengefügt; hatte, wie früher sein Vater, aus vielen einzelnen Keramikscherben eine homogene Einheit wiederhergestellt.
    Aber diese Zeiten waren vorüber. Er hatte sämtliche Keramikgegenstände, die das Museum besaß, wieder instandgesetzt. Nun saß er in seinem einsamen Raum. Bedrückt stellte er wieder einmal fest, wie schmucklos dieses Zimmer eigentlich war. Im Laufe der Zeit waren immer wieder wohlhabende Leute zu ihm gekommen, die ihm wertvolle Keramikgegenstände zum Reparieren gebracht hatten. Er hatte ihre Aufträge ausgeführt. Er hatte ihre Gefäße wieder geheilt, und sie waren fortgegangen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nicht eine Vase oder ein Topf war da, der anstelle des Fensters seinen Raum zierte. Einmal, als er so wie jetzt dasaß, hatte er versunken auf die heiße Nadel, die er zum Aneinanderfügen der Bruchstücke benutzte, gestarrt. Da kam ihm der Gedanke, das kleine Gerät, gegen seine Brust zu pressen, dort,
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