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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster
Autoren: Alfred Bekker
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Die Tote in Telgte

    Der Blick durch das Zielfernrohr zeigt den Körper einer jungen Frau. Man sieht nicht sofort, dass es eine Frau ist, denn ihr Schädel ist vollkommen kahl. Sie lehnt mit dem Rücken am Wagenrad eines Anhängers. Ihr Blick ist starr und tot, die Augen weit aufgerissen, die Züge eine Maske puren Entsetzens. Das Fadenkreuz ist genau auf den Hals ausgerichtet, wo noch immer Blut austritt und dann von der Kleidung aufgesogen wird.
    Ein Mann kommt herbei. Er trägt die Gewandung eines mittelalterlichen Händlers. Das Trinkhorn entfällt ihm vor Schreck. Met spritzt heraus. Er ruft laut und versucht dabei, den Sound der Mittelalter-Rockband mit der nervtötenden Leier zu übertönen. Seine Stimme klingt heiser. Es dauert nicht lange, und andere kommen herbei. Ein kleiner Menschenauflauf bildet sich.
    »Notarzt!«, ruft jemand.
    Nein, für den ist es zu spät.
    Viel zu spät.
    Das Entsetzen breitet sich aus wie eine ansteckende Krankheit. Nur eine einzige Seele empfindet jetzt so etwas wie Zufriedenheit. Nein, eher Genugtuung. Und auch das nur für einen sehr kurzen, raren Moment, der rasch verfliegt. Ein paar Herzschläge – länger dauert es nicht.
    Schließlich senkt sich der Blick durch das Zielfernrohr, obwohl es kaum möglich ist, sich aus dem Bann der Ereignisse zu befreien.
    Eine Hand greift in die weiten Taschen des Gewandes und fühlt nach den Büscheln mit Haaren, die sich darin befinden. Dichtes, dickes Haar ist es. Erinnert schon fast mehr an die Mähne eines Pferdes als an das Haar einer Frau. Es fühlt sich auf jeden Fall gut an.
    Ein Gedanke drängt sich auf.
    Jetzt gehört es mir!
    ***

    »Danke, dass Sie so freundlich sind, mich mitzunehmen«, sagte Anna van der Pütten. Sie war einunddreißig, Kriminalpsychologin, hatte dunkelbraunes schulterlanges Haar, das sie mit ein paar Nadeln zu einer Frisur aufgesteckt hatte, die ihr im Moment reichlich ramponiert vorkam. Es hatte alles etwas schnell gehen müssen, und zu allem Überfluss war ihr Wagen gerade heute in der Werkstatt. Aber auf so etwas nahmen Mörder leider keine Rücksicht. Und Serienkiller schienen in dieser Hinsicht besonders rücksichtslos zu sein. Ein halbes Jahr Pause ohne Mord, und dann zielsicher einen Tag heraussuchen, an dem es einem schlecht passte. Fast konnte man dahinter böse Absicht vermuten. Oder doch eher eine Projektion meinerseits, überlegte Anna, die gerade damit beschäftigt war, den Inhalt ihrer Handtasche zu ordnen. Nicht dass es nötig gewesen wäre, dort für Ordnung zu sorgen. Vielmehr war das eine Art Ritual für sie, das der Konzentration diente. Geordnete Tasche, geordneter Geist. Ein kleiner Trick, um umzuswitchen und kurzfristig alles vergessen zu können, was bis vor ein paar Minuten noch wichtig erschienen war und jetzt nichts als geistigen Ballast darstellte, den man so schnell wie möglich loswerden musste, um sich für die nächste Anforderung zu sammeln. In Anna van der Püttens Beruf war dies ein immer wiederkehrendes Problem. Man hatte sich in einem Gespräch mit einem Patienten sehr stark auf dessen jeweilige Problematik eingelassen, war tief in die traumatisierenden Erlebnisse eines Menschen eingestiegen, der überfallen worden war, und musste sich dann blitzschnell auf einen potenziellen Selbstmörder einstellen, der mutwillig als Geisterfahrer auf der A 1 unterwegs gewesen war, um dabei den Tod zu finden, und bei dem festgestellt werden sollte, inwiefern die Gefahr von Selbst- oder Fremdgefährdung noch anhielt.
    Am Steuer des Volvo saß Kriminalhauptkommissar Sven Haller von der Kripo Münster. Eine gute Viertelstunde war es her, dass das Telefon in seinem Büro im Polizeipräsidium am Friesenring geklingelt und er die Nachricht erhalten hatte, dass es ein neues Opfer des sogenannten Barbiers gab.
    Ein halbes Jahr war Ruhe gewesen. Und jetzt hatte jener geheimnisvolle Serienmörder wieder zugeschlagen, der bereits zuvor vier Frauen ermordet hatte. Barbier nannte ihn die Boulevardpresse, weil er die Angewohnheit hatte, seinen Opfern post mortem die Haare abzurasieren, von denen sich dann an den Tatorten auch stets so gut wie keine mehr befunden hatten.
    Frauenhaar schien für den Mörder so etwas wie eine Trophäe zu sein. Ansonsten glich kein Verbrechen dem anderen, und die ermittelnden Behörden tappten noch immer vollkommen im Dunkeln.
    Sieben Jahre war der erste Fall schon her. Am Anfang hatte sich das LKA eingeschaltet, und eine große Sonderkommission war gebildet worden, die
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