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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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wie ein Eichblatt und ein Ahorn und ein Gegenstand aus Eichenholz. Wir mit Schuhen an unseren Füßen, mit unserer beständigen Eile sind oft im Widerspruch mit der Landschaft. Die Schwarzen leben in Eintracht mit ihr, wenn ihre hohen, geschmeidigen, dunklen und dunkeläugigen Gestalten über Land wandern – immer einzeln hintereinander, so daß auch die großen Verkehrsadern des Landes nur schmale Fußpfade sind – oder wenn sie den Boden bearbeiten oder ihr Vieh weiden, ihre großen Tänze abhalten oder eine Geschichte erzählen, dann ist es Afrika, das reist, tanzt und spricht. Im Hochland wird man an das Wort des Dichters erinnert:
     
    »Edel fand ich
    Stets den Schwarzen
    Und schal den Fremden.«
     
    Die Kolonie verändert sich und hat sich, seit ich dort lebte, schon verändert. Wenn ich so genau, wie ich vermag, niederschreibe, was ich mit der Farm, mit dem Lande und mit den Bewohnern der Steppen und Wälder erlebt habe, so mag das in mancher Hinsicht ein historisches Interesse haben.

Ein schwarzes Kind
    Kamante war ein kleiner Kikujubub, der Sohn eines mei ner Squatter. Ich kannte meine Squatterkinder gut, denn sie arbeiteten für mich auf der Farm und kamen auch sonst ans Haus und ließen ihre Ziegen auf dem Rasen weiden, weil sie meinten, daß sich da vielleicht irgendwas Interessantes ereignen könnte. Aber Kamante muß schon einige Jahre auf der Farm gelebt haben, bevor ich ihn zu Gesicht bekam. Wahrscheinlich hat er sich verborgen gehalten wie ein krankes Tier.
    Wir trafen uns zum erstenmal, als ich eines Tages über das Grasland der Farm ritt und er die Ziegen seiner Eltern hütete. Er war das bejammernswerteste Geschöpf, das man sich vorstellen kann. Sein Kopf war groß und sein Leib erschreckend klein und dürr, die Ellbogen und Knie starrten wie Knoten an einem Stock hervor, und seine Beine waren von der Hüfte bis zu den Zehen mit tiefen eiternden Geschwüren bedeckt. Auf der weiten Steppe sah er ganz besonders klein aus, so daß es einem unfaßlich schien, wie sich so viel Elend auf einem Häuflein zusammenfinden konnte. Als ich anhielt und mit ihm sprach, antwortete er nicht; er schien mich kaum zu sehen. In seinem platten, eckigen, gequälten und unendlich geduldigen Gesicht staken blicklose Augen, stumpf wie die Augen eines Verstorbenen. Er sah aus, als hätte er kaum mehr als eine Woche zu leben, und man meinte schon die Geier, die nahen Begleiter des Todes auf der Steppe, hoch in der fahlen glühenden Luft über seinem Kopf zu sehen. Ich sagte ihm, er sollte am nächsten Morgen zu meinem Haus kommen, ich wollte versuchen, ihn zu heilen.
    Morgens zwischen neun und zehn war ich gewöhnlich der Arzt meiner Leute auf der Farm; ich hatte einen großen Patientenkreis, und meistens fanden sich mehrere – zuweilen bis zu einem Dutzend – Kranke bei mir ein.
    Die Kukuju sind auf alles Unvorhergesehene gefaßt. Darin unterscheiden sie sich von den Weißen, die meist das Bestreben haben, sich vor dem Unbekannten und vor bösen Zufällen zu sichern. Der Neger steht auf gutem Fuße mit dem Schicksal, in dessen Hand er sein Leben verbringt; es ist gewissermaßen seine Heimat, das vertraute Dunkel seiner Hütte, das tiefe Erdreich, in dem er wurzelt. Er begegnet jeder Veränderung in seinem Leben mit großer Ruhe. Unter den Eigenschaften, die er von einem Herrn oder von einem Arzt oder von Gott erwartet, steht, glaube ich, die Phantasie an bevorzugter Stelle. Es mag die Vorliebe für dieses Zeichen der Macht sein, was dem Kalifen Harun al Raschid im Herzen von Afrika und Arabien den Ruhm eines idealen Herrschers erhalten hat, von dem man nie wußte, wessen man sich zu versehen habe, und nie sagen konnte, wo man ihm begegnen würde. Wenn der Afrikaner vom Wesen Gottes spricht, so ist es, wie in den letzten Kapiteln des Buches Hiob, ebendiese Eigenschaft, die unerschöpfliche Phantasie, die ihn am meisten überwältigt.
    Dieser Anschauung meiner Leute verdankte ich meine Beliebtheit oder meinen Ruf als Arzt. Als ich hinausfuhr nach Afrika, reiste ich auf dem Schiff mit einem bedeutenden deutschen Gelehrten, der zum dreiundzwanzigstenmal auszog, um Versuche zur Heilung der Schlafkrankheit anzustellen und über hundert Ratten und Meerschweinchen auf dem Schiff mit sich führte. Er erzählte mir, die große Schwierigkeit bei der Behandlung der Eingeborenen sei nicht ihre Angst vor Schmerzen oder großen Operationen – da zeigten sie in der Regel keine Furcht –, sondern ihre Abneigung gegen jede Regel,
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