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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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verlangte nach keinerlei Berührung mit der Umwelt; die Berührungen, die er erfahren hatte, waren zu grausig gewesen. Seine Tapferkeit angesichts von Schmerzen war die Tapferkeit eines alten Kriegers. Es konnte nichts so schlimm sein, daß es ihn überrascht hätte; er war durch seine Erfahrung und seine Weltanschauung auf das Schlimmste vorbereitet.
    Seine Haltung hatte etwas Großartiges und gemahnte an das Bekenntnis des Prometheus: »Qual ist mein Element, wie Haß das deine. Reiß mich in Stücke, mich kümmert’s nicht«, und: »Tu deine Schrecken auf, du bist allmächtig.« Aber an einem Geschöpf seiner Größe wirkte es so gequält, daß man darüber verzagen konnte. »Was mag Gott denken«, fragte ich mich, »angesichts einer solchen Haltung eines so kleinen Menschenkindes?«
    Ich erinnere mich gut an das erste Mal, als er mich anschaute und aus eigenem Antrieb etwas zu mir sagte. Es muß eine ganze Weile nach unserer Bekanntschaft gewesen sein, denn ich hatte meine erste Heilmethode aufgegeben und versuchte etwas Neues, einen heißen Brei, der in einem meiner Bücher empfohlen war. In meinem Eifer, alles recht gründlich zu machen, hatte ich ihn zu sehr erhitzt, und als ich ihn auf sein Bein tat und den Verband darüberlegte, da sprach Kamante. »Msabu«, sagte er und blickte mich groß an. Die Schwarzen gebrauchen das indische Wort, wenn sie eine weiße Frau anreden, aber sie sprechen es etwas anders aus und machen ein afrikanisches Wort daraus, das einen eigenen Klang hat. In Kamantes Mund wurde es zu einem Hilferuf, aber zugleich zu einer Warnung, wie wenn ein vertrauter Freund einem bedeutete innezuhalten, da man im Begriff sei, etwas Unwürdiges zu tun. Ich habe mich später voller Hoffnung daran erinnert. Ich hatte meinen Ehrgeiz als Doktor, und es tat mir leid, daß ich den Brei zu heiß aufgelegt hatte, aber ich war doch froh, denn es war der erste Schimmer von Vertrautheit zwischen dem wilden Kinde und mir. Der erprobte Dulder, der nichts erwartete als Schmerzen, erwartete sie doch nicht von mir.
    Was meine Heilkunst an ihm anlangte, sah die Sache freilich nicht hoffnungsvoll aus. Lange Zeit wusch und verband ich immer wieder seine Beine, aber die Krankheit überstieg mein Können. Von Zeit zu Zeit wurde es ein wenig besser, und dann brachen die Geschwüre an anderen Stellen wieder aus. Schließlich entschloß ich mich, ihn in das Hospital der schottischen Mission zu bringen.
    Diese Entscheidung war schicksalsschwer und bedeutungsvoll genug, um auf Kamante Eindruck zu machen. Aber er wollte nicht mitgehen. Seine Erfahrungen und seine Weltanschauung erlaubten ihm zwar nicht, sich geradezu zu widersetzen, aber als ich ihn zur Mission fuhr und in dem langen Gebäude des Hospitals ablieferte, in einer Umgebung, die ihm ganz fremd und rätselhaft war, da zitterte er.
     
    Die Missionsstation der schottischen Kirche lag, mir benachbart, zwölf Meilen nach Nordwesten, fünfhundert Fuß höher als die Farm, und die französische katholische Mission lag im Osten, im Flachland, fünfhundert Fuß tiefer. Ich kannte keine Sympathien für Missionen, stand aber persönlich auf freundschaftlichem Fuß mit beiden und be dauerte, daß sie sich gegenseitig befehden mußten.
    Die französischen Patres waren meine besten Freunde. Ich ritt öfter mit Farah hinüber, bei ihnen sonntags morgens die Messe zu hören, teils um wieder Französisch zu sprechen und teils weil der Ritt zur Mission so schön war. Die Straße führte eine lange Strecke durch die alte Akazienpflanzung des Forstamts, und der herbe, frische harzige Duft der Akazien hatte am Morgen etwas angenehm Belebendes. Es war eigentümlich, zu sehen, wie die römische Kirche, wo sie auch hinkommt, ihre Atmosphäre mit sich bringt. Die Patres hatten ihre Kirche selbst entworfen und unter Beihilfe ihrer schwarzen Gemeinde erbaut und waren mit Recht stolz auf sie. Die schöne große graue Kirche mit ihrem Glockenturm erhob sich auf einem breiten Hofraum über Terrassen und Treppen mitten in der Kaffeeplantage, der ältesten und bestgeführten in der Kolonie. An den zwei anderen Seiten des Hofraumes standen das Refektorium mit einem Säulengang davor und die Klostergebäude mit einer Schule und einer Mühle unten am Fluß; um an die Auffahrt zur Kirche zu gelangen, mußte man über eine bogengetragene Brücke reiten. Alles war aus grauem Stein gebaut, und wenn man auf sie zuritt, paßten sich die Gebäude schön in die Landschaft ein, sie hätten in einem
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