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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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Die Ngongfarm
    Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge. Hundert Meilen nördlicher lief der Äquator durchs Hochland, aber die Farm lag in einer Höhe von über zweitausend Metern. Da spürt man tagsüber die Höhe, die Nähe der Sonne, aber die Morgenfrühe und die Abende sind klar und friedvoll, und die Nächte sind kalt.
    Die geographische Lage und die Höhe haben vereint eine Landschaft geschaffen, die in der ganzen Welt nicht ihresgleichen hat. Nirgends ist etwas Üppiges oder Überschwengliches; es ist, als wäre Afrika hier gleichsam durch zweitausend Meter emporgeläutert zu einer starken und klaren Essenz seines Wesens. Die Farben sind trocken und glasiert wie Farben irdener Geschirre. Die Bäume haben ein lichtes zartes Laubwerk, und ihre Form ist anders als die europäischer Bäume, sie bilden keine Kronen und Kuppeln, sondern waagrechte Schichten. Vereinzelte hohe Bäume bekommen dadurch eine Ähnlichkeit mit Palmen, sie haben etwas Heroisches und Romantisches wie Schiffe mit vollen Segeln, und ein Waldrand wirkt seltsam: der ganze Wald scheint leicht zu schwingen. Aus dem Gras der großen Ebenen ragen verstreut die krummen, kahlen alten Dornbäume, und das Gras riecht würzig nach Thymian und Sumpfmyrte; an manchen Stellen ist der Duft so stark, daß er die Nase beizt. Alle Blumen auf den Hochebenen oder an den Schlinggewächsen und Lianen im Urwald sind gewissermaßen Verkleinerungen wie Blumen auf den Dünen; nur zu Beginn der Regenzeit sprießen große fleischige, schwerduftende Lilien auf den Hochebenen empor. Die Ausblicke sind unendlich weit. Alles, was man sieht, atmet Größe und Freiheit und unvergleichliche Vornehmheit.
    Das wesentliche Element der Landschaft und des Lebens in ihr ist die Luft. Wer auf einen Aufenthalt im afrikanischen Hochland zurückblickt, den überkommt das Gefühl, er habe eine Zeitlang hoch in der Luft gelebt. Der Himmel ist selten mehr als blaßblau oder violett, und mächtige, aller Schwere bare, immerfort sich wandelnde Wolken türmen sich allenthalben und segeln an ihm dahin; aber die Bläue hat etwas Leuchtendes und färbt die Umrisse der Berge und nahen Wälder mit frischem tiefem Blau. Um die Tagesmitte beginnt die Luft über dem Lande sich zu regen wie eine aufsteigende Flamme, sie flimmert, wogt und schimmert wie rieselndes Wasser, spiegelt und verdoppelt alle Gegenstände und schafft große Fata Morganen. Es atmet sich leicht in der hohen Luft, man saugt Lebensgewißheit und Unbeschwertheit der Seele in sich. Im Hochland erwacht man in der Frühe und weiß: hier bin ich, wo ich sein sollte.
    Die Ngongberge ziehen sich als langer Kamm von Nordwesten nach Südosten und sind von vier stolzen Gipfeln gekrönt, die wie reglose dunklere blaue Wellen gegen den Himmel stehen. Sie erheben sich zweitausendsiebenhundert Meter über das Meer und im Osten siebenhundert Meter über das umliegende Land; im Westen ist der Absturz tiefer und steiler, da fallen die Berge senkrecht ab in das große Rifttal.
    Der Wind weht im Hochland beständig aus Nordnordost. Es ist der gleiche Wind, den sie unten an den Küsten Afrikas und Arabiens den Monsun nennen, der Ostwind, König Salomons liebstes Roß. Hier oben spürt man ihn nur, als wär’s der Widerstand der Luft, gegen den die Erde ostwärts durch den Raum rollt. Der Wind streicht gerade auf die Ngongberge zu, und an den Bergabhängen könnte man herrlich Drachen steigen lassen; der Luftstrom würde sie emporheben bis über die Berggipfel. Die Wolken, die mit dem Winde heranziehen, stoßen an die Hänge des Gebirges und umschweben es oder werden von dem Grat erfaßt und lösen sich in Regen auf. Die aber, die höher fliegen und den Kamm nicht streifen, zergehen westlich von ihm über der glühenden Wüste des Rifttales. Viele Male habe ich aus meinem Hause diese mächtigen Züge heranschweben sehen und staunend betrachtet, wie die stolzen wogenden Massen, kaum daß sie die Berge überflogen hatten, in der blauen Luft zergingen und verschwanden.
    Von der Farm aus sah man die Berge mehrmals am Tage ihr Aussehen verändern, zuweilen schienen sie ganz nahe und dann wieder weit, weit entfernt. Abends, wenn es dunkelte, sah es zuerst, wenn man nach ihnen hinschaute, aus, als würde am Himmel ein silberner Strich um die ganze Silhouette des dunklen Berges gezogen; dann, wenn es finster wurde, schienen die vier Gipfel flacher und weicher zu werden, als strecke und dehne sich das Gebirge.
    Von den Ngongbergen hat man einen
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