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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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Jahrhunderts beständig auf Reisen nach Italien, Griechenland und Spanien zeigen, hatten gewißlich keinen einzigen südländischen Zug in ihrem Wesen, sondern wurden angelockt und gefesselt von Reizen, die ihnen völlig fremd waren. Die alten deutschen und skandinavischen Maler, Philosophen und Dichter, die zuerst nach Florenz und Rom kamen, sanken auf die Knie und beteten den Süden an.
    Eine seltsame vernunftwidrige Milde gegenüber der fremden Welt trat in diesen sonst so unduldsamen Menschen zutage. So wie es einer Frau kaum je gelingen wird, einen echten Mann aus der Fassung zu bringen, und so wie kein Mann einer Frau ganz verachtenswert und nichtswürdig erscheint, solange er ein Mann bleibt, so haben auch die hitzigen rothaarigen Nordländer eine unendliche Langmut gegen tropische Länder und Völker bewiesen. In ihrem eigenen Land oder von ihren Verwandten ließen sie sich keine Unbill gefallen, aber die Dürre des afrikanischen Hochlands, Sonnenstich, Rinderpest und schludrige schwarze Dienstboten ertrugen sie mit Demut und Resignation. Ja, sogar ihr Anspruch auf Persönlichkeit verlor sich in dem Gefühl für die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn sich Wesen verbinden, die eins werden können, weil sie unvereinbar sind. Südländer und Mischlinge haben diese Fähigkeit nicht, sie mißachten sie oder hassen sie. So hassen Männer, die die Männlichkeit verherrlichen, den seufzenden Liebhaber, und Frauen, die vor lauter Vernunft keine Geduld mit ihren Männern haben, sehen verächtlich auf Griseldis herab.
    Ich habe schon in den ersten Wochen in Afrika eine große Liebe für die Eingeborenen gefaßt. Es war ein tiefes Gefühl, das jedem Alter und Geschlecht gleichermaßen galt. Die Entdeckung der schwarzen Rasse war für mich eine wunderbare Bereicherung der Welt. Ein Mensch, der mit einer angeborenen Liebe zu Tieren in einer Umwelt ohne Tier aufgewachsen wäre und erst spät im Leben mit Tieren in Berührung käme, oder ein Mensch, der eine instinktive Neigung für Holz und Wälder hätte und zum erstenmal als Zwanzigjähriger einen Wald beträte, oder ein Mensch mit musikalischem Gehör, der zufällig erst als Erwachsener zum erstenmal Musik zu hören bekäme, würde sich in der gleichen Lage befinden wie ich. Sowie ich mit den Eingeborenen in Fühlung gekommen war, fügte ich den Rhythmus meines täglichen Lebens dem großen Orchester ein.
    Mein Vater war Offizier in der dänischen und französischen Armee; als ganz junger Leutnant bei Düppel schrieb er einmal nach Hause: »Nach Düppel zurückgekehrt, wurde ich Führer einer großen Abteilung: eine mühsame, aber herrliche Aufgabe. Die Liebe zum Krieg ist eine Leidenschaft wie jede Liebe; man liebt Soldaten, wie man Frauen liebt – bis zur Raserei; und die eine Liebe ist der anderen nicht im Wege, die Mädels wissen das. Aber die Liebe zu Frauen kann nur eine zur Zeit umfassen, die Liebe zu Soldaten umfaßt ein ganzes Regiment, und man wünscht nur immer, es möchte womöglich noch größer sein.« Geradeso ging es mir mit den Schwarzen.
    Es war nicht leicht, den Schwarzen näherzukommen. Sie waren hellhörig, und wenn man sie erschreckte, flüchteten sie augenblicklich in ihre eigene Welt zurück wie die wilden Tiere, die bei einer raschen Bewegung verschwinden und einfach nicht mehr da sind. Ehe man den Schwarzen genau kennt, gelingt es einem kaum, von ihm eine gerade Antwort zu bekommen. Auf die direkte Frage, etwa wie viele Kühe er besitze, gibt er eine ausweichende Antwort: »So viele, wie ich dir gestern sagte.« Es geht einem Europäer gegen das Gefühl, solch eine Antwort hinzunehmen, aber wahrscheinlich geht es einem Schwarzen ebenso gegen das Gefühl, so geradezu gefragt zu werden. Wenn wir drängten oder versuchten, den Leuten eine Erklärung ihres Benehmens abzupressen, dann zogen sie sich zurück, solange es ging, und kehrten dann irgendeinen grotesken lustigen Spaß hervor, um uns auf eine falsche Spur zu lenken. Sogar kleine Kinder bewiesen in einer solchen Lage die Abgefeimtheit alter Pokerspieler, denen es ganz gleich ist, ob man ihre Karten unterschätzt oder überschätzt, solange man nur nicht weiß, was sie wirklich in der Hand halten. Da, wo wir an die Grundlage ihrer Existenz rührten, benahmen sich die Schwarzen wie Ameisen, in deren Haufen man mit einem Stock hineinsticht: sie besserten den Schaden mit unermüdlicher Kraft rasch und ruhig aus, als gelte es, eine Ungeschicklichkeit zu vertuschen.
    Wir konnten nicht wissen
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