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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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in die Augen sticht, das Hinterteil irgendeines alten Weibleins, das in seinem Acker buddelt, wie das Sinnbild des Vogels Strauß, der sein Haupt in den Sand steckt. Jede Kikujufamilie besitzt eine Reihe kleiner runder, spitzer Wohnhütten mit den zugehörigen Vorratshütten und dazwischen einen freien Platz, wo der Boden festgestampft ist wie Zement, wo der Mais geputzt wird und die Ziegen gemolken werden und die Kinder und Hühner umherlaufen. Ich habe auf den Kartoffelfeldern zwischen den Squatterhäusern in der blauen Abenddämmerung Spornhühner gejagt, die Waldtauben gurrten laut ihr Lied in den hochstämmigen zerzausten Bäumen, die hie und da in den Schambas aufragten als Reste des Urwalds, der einst die ganze Farm bedeckt hatte.
    Und dann gehörten zur Farm noch einige tausend Morgen Grasland. Da wogte und bog sich das lange Gras wie Wellen des Meeres unter einem steifen Winde, und die kleinen Kikujububen hüteten die Kühe ihrer Eltern. In der kalten Jahreszeit nahmen sie sich in kleinen geflochtenen Körben glühende Kohlen aus den Hütten mit und verursachten zuweilen große Grasbrände, die für die Weidewirtschaft der Farm recht verhängnisvoll waren. In dürren Jahren kamen die Zebras und Antilopen bis zu den Weidegründen der Farm herab.
     
    Nairobi, unsere Stadt, lag, zwölf Meilen entfernt, unten in einem flachen Landstrich zwischen den Bergen. Da war das Haus des Gouverneurs, da residierten die großen Firmen, von da aus wurde das Land regiert. Es gibt kein Leben, in dem nicht eine Stadt eine Rolle spielt, und es macht wenig aus, ob man ihr wohl oder übel gesinnt ist, sie zieht die Gedanken an sich nach einem geistigen Gesetz der Schwere. Der helle Schimmer am Himmel, der nachts über der Stadt lag – ich konnte ihn an mehreren Stellen von meiner Farm aus sehen –, erregte meine Gedanken und rief Erinnerungen wach an die großen Städte Europas.
    Als ich nach Afrika kam, gab es noch keine Autos im Lande, und wir ritten nach Nairobi oder fuhren in einem Wagen mit sechs Maultieren und stellten unser Gespann in den Stallungen des Hochlandtransports ein. Während meiner ganzen Zeit blieb Nairobi eine Stadt von recht gemischtem Aussehen; neben etlichen neuen Steinhäusern gab es ganze Viertel von Läden, Kanzleien und Wohnhäusern aus altem Wellblech, die sich unter langen Reihen von Eukalyptusbäumen die leeren staubigen Straßen entlangzogen. Die Kanzleien des Landgerichts, des Eingeborenenamtes, des Veterinäramtes waren erbärmlich untergebracht, und ich bewunderte die Beamten, daß sie in den niedrigen, glühendheißen Räumen überhaupt arbeiten konnten.
    Aber trotz alledem war Nairobi eine Stadt, in der man Einkäufe machen, Neuigkeiten hören, in Hotels frühstücken und zu Abend essen und im Klub tanzen konnte. Und es war ein Ort voller Leben, ständig bewegt wie strömendes Wasser und wandlungsfähig wie alles Junge; es verwandelte sich von Jahr zu Jahr und zeigte jedesmal, wenn man von einem Jagdzug heimkehrte, ein neues Gesicht. Das neue Regierungsgebäude wurde errichtet, ein prächtiges kühles Haus mit schönem Ballsaal und hübschem Garten; prächtige Hotels wuchsen aus dem Boden, große eindrucksvolle Landwirtschaftsausstellungen und herrliche Blumenausstellungen wurden abgehalten, und die sogenannte elegante Welt der Kolonie bereicherte das Leben der Stadt von Zeit zu Zeit mit Hörfolgen spannender Skandale. Nairobi rief einem zu: »Genieße mich und deine Zeit. Wir kommen nie wieder so jung – will heißen: so ungebändigt und lebenshungrig – zusammen.« Zeitweilig habe ich mich mit Nairobi recht gut verstanden, und es gab eine Zeit, da fuhr ich durch die Stadt und dachte mir: Was wäre das Leben ohne die Straßen von Nairobi!
    Die Viertel der Eingeborenen und der farbigen Einwanderer waren im Verhältnis zu der Europäerstadt sehr weitläufig angelegt.
    Die Suahelistadt an der Straße zum Mathaigaklub genoß zwar in keinem Sinne einen guten Ruf, war aber ein lebensvoller, dreckiger und vergnüglicher Ort, in dem zu jeder Stunde des Tages alles mögliche passierte. Sie war größtenteils erbaut aus flachgehämmerten Petroleumkanistern in allen Stadien der Verrostung und bildete so wie eine steingewordene Anhäufung von Skeletten, deren Seele entwichen war, eine Art Korallenriff der vordringenden Zivilisation.
    Die Somalistadt lag noch weiter entfernt von Nairobi, und zwar vermutlich weil die Sitte der Somali die strenge Abgeschiedenheit der Weiber fordert. Zu meiner Zeit kamen
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