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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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persönliche Wärme. Männer können wohl kaum harmlos und von Herzen einander beneiden oder übereinander triumphieren. Dagegen ist es selbstverständlich, daß die Braut über die Brautjungfer triumphiert und daß Besucherinnen am Wochenbett die Mutter des Kindes beneiden, und keine der Betroffenen denkt sich etwas dabei. Eine Frau, die ihr Kind verloren hat, kann ihrer Freundin die Kleidchen zeigen und sehr wohl wissen, daß die Freundin vor sich hin spricht: Gottlob, daß ich’s nicht bin – beiden wird das natürlich und angemessen erscheinen. So ging es Ingrid und mir. Als wir durch die Farm wanderten, wußte ich, daß sie an ihre eigene Farm dachte und ihr Schicksal pries, daß sie ihr noch gehörte, und sich mit aller Macht an diesen Gedanken klammerte, aber das hat uns beide nicht behelligt. Wir waren, trotz unserer alten Khakimäntel und -hosen, in Wahrheit zwei allegorische Gestalten, die eine schwarz, die andere weiß gewandet, ein Zwillingspaar, die Genien des Farmerlebens in Afrika.
    Nach einigen Tagen sagte Ingrid Lebewohl und fuhr mit der Bahn heim nach Njoro.
     
    Ich konnte nicht mehr ausreiten, und auf meinen Wanderungen war es ohne die Hunde still und eintönig geworden. Nur meinen Wagen besaß ich noch und war froh, daß ich ihn hatte; denn es gab in diesen Monaten viel zu tun.
    Das Geschick meiner Squatter lastete schwer auf mir. Da die Gesellschaft, die die Farm erworben hatte, die Kaffeebäume beseitigen und das Land aufteilen und in Bauparzellen verkaufen wollte, hatte sie keine Verwendung für Squatter; als der Kauf abgeschlossen war, kündigte sie ihnen allen und gab ihnen eine Frist von sechs Monaten zur Räumung der Farm. Das war für die Squatter ein unerwarteter und erschütternder Entscheid, denn sie hatten in der Einbildung gelebt, das Land gehöre ihnen. Viele von ihnen waren auf der Farm geboren, andere waren als kleine Kinder mit ihren Eltern hergezogen.
    Die Squatter wußten, daß sie, um auf dem Lande leben zu dürfen, hundertachtzig Tage des Jahres für mich arbeiten mußten, wofür sie zwölf Schillinge für je dreißig Tage ausbezahlt erhielten. Diese Abrechnung wurde im Büro der Farm geführt. Sie wußten auch, daß sie die Hüttensteuer an den Staat entrichten mußten, zwölf Schillinge von jeder Hütte; eine schwere Last für die Leute, die außer ein paar Habseligkeiten nichts besaßen als ihre zwei oder drei Grashütten, je nach der Zahl ihrer Weiber, denn ein verheirateter Kikuju muß jeder Frau eine eigene Hütte geben. Verglichen mit dieser Besteuerung der Schwarzen war die Abgabe der Europäer, die zu meiner Zeit dreißig Schillinge betrug, lächerlich gering. Meinen Squattern war gelegentlich, wenn sie sich etwas zuschulden kommen ließen, gedroht worden, sie müßten die Farm verlassen; sie wußten also gewissermaßen, daß ihre Stellung nicht unangreifbar war. Die Hüttensteuer war ihnen verhaßt. Zu der Zeit, als ich sie auf der Farm für die Regierung eintreiben mußte, hatte ich viele Scherereien und manchen Redeschwall zu überstehen. Aber sie betrachteten diese Sorgen mehr als allgemeine Beschwerden des Lebens und hatten nie die Hoffnung aufgegeben, sich ihrer so oder so einmal zu entledigen. Sie wußten nicht, daß all das auf einem Rechtsgrund beruhte, der sich zu seiner Zeit in einem unabwendbaren Zusammenbruch Geltung verschaffen würde. Eine Zeitlang stellten sie sich, als sei die Entscheidung der neuen Eigentümer der Farm ein leerer Popanz, an dem sie leichten Mutes vorbeisehen konnten.
    In mancher Hinsicht – freilich nicht in jeder – nimmt der Weiße im Geiste der Eingeborenen den Platz ein, den im Geiste des Weißen das Bild Gottes innehat. Ich schloß einmal mit einem indischen Holzhändler einen Vertrag ab, darin kam das Wort vor: ein Akt Gottes. Der Ausdruck war mir nicht geläufig, und der Anwalt, der den Vertrag aufsetzte, versuchte, ihn mir zu verdeutlichen. »Nein, nein, gnädige Frau«, sagte er, »Sie haben den Sinn des Wortes nicht ganz erfaßt. Das völlig Unvorhersehbare, das keiner Regel und Vernunft sich beugt, das ist ein Akt Gottes.«
    Schließlich trieb die Gewißheit, daß der Räumungsbefehl doch Geltung hatte, die Squatter in schwarzen Scharen zu meinem Hause. Sie empfanden den arglistigen Hieb als eine Folge meines Wegganges von der Farm – mein Unglück wuchs ins Große und griff auf sie alle über. Sie tadelten mich nicht darum, denn darüber hatten wir uns ausgesprochen, sie fragten mich, wo sie hingehen sollten.
    Mir
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