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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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Mächte hatten über mich gelacht, und ein Echo aus den Bergen hatte dem Lachen geantwortet, mit Fanfaren tönte es über alle Hähne und Chamäleons: Ha, ha!
    Ich freute mich auch, daß ich an jenem Morgen früh genug draußen war, um dem Chamäleon einen langsamen, qualvollen Tod zu ersparen.
    Um diese Zeit etwa, aber noch ehe ich meine Pferde hatte ziehen lassen, kam Ingrid Lindström von ihrer Farm bei Njoro herüber, um eine Weile bei mir zu bleiben. Das war besonders lieb von Ingrid, denn es war für sie nicht leicht, von ihrer eigenen Farm freizukommen. Ihr Mann hatte, um den Grund und Boden in Njoro abzuzahlen, eine Stellung bei einer großen Sisalgesellschaft in Tanganjika angenommen und schwitzte derzeit im Tiefland, als hätte Ingrid ihn um der Farm willen in die Sklaverei verdungen. Sie mußte in der Zwischenzeit selbst nach allem sehen, sie hatte ihre Geflügelfarm und ihre Gemüsegärtnerei erweitert, hatte sich Schweine und eine Brut von jungen Truthähnen zugelegt und konnte es sich kaum leisten, diese auch nur für ein paar Tage allein zu lassen. Aber um meinetwillen übergab sie den ganzen Betrieb Kamosa und eilte zu mir, nicht anders, als sie einem Freund zu Hilfe geeilt wäre, dessen Haus in Flammen stand; sie kam diesmal ohne Kamosa, was unter den waltenden Umständen für Farah eine Erleichterung war. Ingrid verstand und fühlte bis auf den Herzensgrund mit ganzer Stärke, ja, mit einer Unbändigkeit, wie sie Naturkräften innewohnt, was es in Wahrheit für eine Frau hieß, ihre Farm aufzugeben und davonzugehen.
    Solange Ingrid bei mir war, sprachen wir nicht von der Vergangenheit oder Zukunft und nannten keinen Namen eines Freundes oder Bekannten, unser ganzes Gemüt war dem augenblicklichen Kummer zugewandt. Wir gingen miteinander von einem Gegenstand auf der Farm zum anderen, wir nannten sie im Vorübergehen einzeln beim Namen, als nähmen wir im Geiste das Inventar meines Verlustes auf oder als sammle Ingrid, als mein Anwalt, Material für eine Anklageschrift vor dem Gerichtshof des Schicksals. Ingrid wußte aus eigener Erfahrung, daß es solch einen Klageakt nicht gibt, aber es ist nun einmal ein Stück weiblicher Lebenskraft, an der Vorstellung festzuhalten.
    Wir gingen zur Ochsenhürde hinab und setzten uns auf den Zaun und zählten die heimkehrenden Ochsen. Wortlos führte ich sie Ingrid vor: »Und die Ochsen«, und wortlos erwiderte sie: »Ja, die Ochsen« und nahm sie zu ihren Akten. Wir gingen zum Pferdestall hinüber und fütterten die Ponys mit Zucker, und als sie ihn aufgeknabbert hatten, streckte ich meine klebrigen und beschlabberten Hände nach ihnen aus und zeigte sie Ingrid, stumm klagend: »Die Pferde«, und traurig seufzend gab sie zurück: »Ja, die Pferde« und setzte sie auf die Liste. In meinem Garten am Fluß konnte sie sich nicht trösten über den Gedanken, daß ich die Pflanzen zurücklassen mußte, die ich aus Europa mitgebracht hatte, sie rang die Hände über Minze, Salbei und Lavendel und sprach hernach von ihnen, als erwäge sie einen Plan, wie sich’s ermöglichen ließe, daß ich sie doch noch mitnähme.
    Wir verbrachten den Nachmittag damit, meiner kleinen Herde afrikanischer Kühe zuzuschauen, die auf dem Rasen weideten. Ich nannte ihr Alter, ihre Eigenheiten und ihren Milchertrag, und Ingrid stöhnte und wimmerte bei den Zahlen, als täten sie ihr leibhaftig weh. Sie prüfte sie sorgfältig, Stück um Stück, nicht im Hinblick auf einen Verkauf – denn meine Kühe verblieben den Hausboys –, sondern um Wert und Schwere meines Verlustes abzuwägen. Sie umarmte die weichen, wohlig duftenden Kälber; sie hatte selbst nach langen Kämpfen einige Kühe und Kälber für ihre Farm aufgezogen, und wider Vernunft und Absicht tadelten mich ihre innigen Blicke, daß ich meine Kälber im Stiche ließ.
    Ein Mann, der neben einem vom Schicksal heimgesuchten Freunde herginge und im stillen immerfort vor sich hin sagte: Gottlob, daß ich’s nicht bin, würde sich, glaube ich, nicht wohl dabei fühlen und sich bemühen, den Gedanken zu unterdrücken. Anders ist es, wenn zwei Frauen befreundet sind und die eine der anderen in der Not ihr inniges Mitgefühl bekundet. Da versteht es sich ganz von selbst, daß die vom Glück begünstigtere Freundin unablässig in ihrem Herzen das gleiche Wort wiederholt: Gottlob, daß ich’s nicht bin. Das erweckt keine Bitterkeit zwischen den beiden, es bindet sie im Gegenteil noch enger aneinander und verleiht der Bekundung eine
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