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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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mich eines Besseren, fuhr am Morgen nach Nairobi und bat die Dame, die sie gekauft hatte, den Handel wieder rückgängig zu machen. Ich hatte selbst keinen Platz für sie, aber die Finger und Lippen vieler Freunde hatten sie berührt; sie hatten mir köstliche Weine aus ihnen zu trinken gegeben; in ihnen schlummerte das Echo vergangener Tischgespräche – ich wollte mich nicht von ihnen trennen. Schließlich, dachte ich, wäre es am leichtesten, sie zu zerbrechen.
    Ich hatte einen alten hölzernen Wandschirm, bemalt mit Figuren von Chinesen, Sultanen und Negern mit Hunden an der Leine. Er hatte seinen Platz am Kamin. Abends, wenn das Feuer hell brannte, traten die Gestalten hervor und dienten als Bilder zu den Geschichten, die ich Denys erzählte. Ich schaute ihn lange Zeit an, klappte ihn zusammen und legte ihn in eine Kiste; da mochten die Gestalten sich vorerst einmal ausruhen.
    Lady MacMillan richtete damals die MacMillan-Gedächtnisstiftung in Nairobi ein, die sie zur Erinnerung an ihren Gatten, Sir Northrup MacMillan, gebaut hatte. Es war ein schönes Gebäude mit einer Bibliothek und einem Lesezimmer. Sie kam auf die Farm herausgefahren und sprach betrübt von vergangenen Tagen und kaufte den größten Teil meiner alten dänischen Möbel, die ich von zu Hause mitgebracht hatte, für die Bibliothek. Es war mir ein angenehmer Gedanke, daß die lieben wackeren Truhen und Schränke in einem Milieu von Büchern und Lesern beisammenbleiben sollten wie ein kleiner Zirkel von Damen, die in Zeiten des Aufruhrs Zuflucht in einer Universität finden.
    Meine eigenen Bücher packte ich in Kisten und saß auf ihnen oder aß von ihnen. Bücher spielen in einer Kolonie eine andere Rolle im Leben als in Europa; es gibt ein ganzes Lebensgebiet, das dort von ihnen allein beherrscht wird. Darum empfindet man je nach ihrem Wert mehr Dankbarkeit oder Groll für sie, als man je in einem zivilisierten Lande täte.
    Die erdichteten Gestalten aus den Büchern laufen beim Ritt über die Farm neben dem Pferde mit, sie wandeln durch die Maisfelder. Nach eigenem Instinkt, wie kluge Soldaten, wählen sie sich ihre passenden Standorte. Alle Gestalten Walter Scotts lebten in der Landschaft ringsum und konnten einem täglich begegnen, und desgleichen Odysseus mit seinen Gefährten und – seltsamerweise viele Figuren von Racine. Peter Schlemihl war mit Siebenmeilenstiefeln über die Berge gegangen, und Clown Agheb, die Honigbiene, lebte in meinem Garten am Fluß.
    Immer mehr Sachen wurden verkauft, verpackt und fortgeschickt, und im Laufe der Monate wurde das Haus »das Ding an sich«, edel geformt wie ein Schädel, eine kühle geräumige Wohnstätte mit einem hallenden Echo, und das Gras auf der Wiese wucherte empor bis an die Schwelle der Tür. Schließlich war kein Stück mehr in den Zimmern, und mir erschienen sie in diesem Zustand bewohnenswerter als zuvor. Ich sagte Farah: »So hätten wir’s die ganze Zeit haben sollen.« Farah verstand mich gut, denn die Somali haben alle etwas vom Asketen an sich. Farah war in dieser Zeit ganz gesammelt und nur bestrebt, mir in allem zu helfen, aber er wurde mehr und mehr wieder der echte Somali, der er in Aden gewesen war, als er mir entgegengeschickt wurde bei meiner ersten Ausfahrt nach Afrika. Er machte sich Sorgen um meine alten Schuhe und gestand mir im Vertrauen, er bete täglich zu Gott, daß sie halten möchten, bis ich nach Europa käme.
    Ich mußte nun auch über das Schicksal meiner Pferde und Hunde befinden. Mir war am ehesten danach zumute, sie zu erschießen, aber viele meiner Freunde schrieben mir und baten mich, sie ihnen zu geben.
    Wenn ich ausritt und die Hunde bei mir hatte, schien mir’s wieder ein Unrecht, sie zu töten; sie waren noch so voller Lebenskraft. Es dauerte lange Zeit, bis ich ins reine kam; ich glaube, ich habe nie im Leben über eine Frage so oft meine Ansicht geändert. Am Ende beschloß ich, sie meinen Freunden zu schenken.
    Ich ritt auf meinem Lieblingspony Rouge nach Nairobi; ich ritt langsam und blickte umher nach Norden und Süden. Merkwürdig mußte es Rouge vorkommen, dachte ich, die Straße nach Nairobi hineinzutraben und nicht wieder zurückzukehren. Ich verstaute ihn, nicht ohne Mühe, in dem Pferdetransportwagen des Zuges nach Naivascha; ich stand bei ihm in seinem Verschlag und fühlte zum letztenmal seine seidige Schnauze an meiner Hand und meinem Gesicht. Ich laß dich nicht, Rouge, du segnest mich denn. Wir hatten gemeinsam den Saumpfad zum Fluß
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