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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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fiel es in mehr als einer Hinsicht nicht leicht, ihnen darauf zu antworten. Die Eingeborenen dürfen nach dem Gesetz selbst kein Land erwerben, und es gab keine mir bekannte Farm, die groß genug war, um sie alle als Squatter aufzunehmen. Ich sagte ihnen, ich hätte auf meine Anfragen in der Sache den Bescheid erhalten, sie sollten ins Kikujureservat gehen und sich dort Land suchen. Darauf fragten sie besorgt zurück, ob sie denn wohl genug unbesiedeltes Land im Reservat finden würden, um all ihr Vieh mitnehmen zu können. Und weiter, ob denn wohl das Land so in einem Stück zu finden wäre, daß die Leute von der Farm zusammenbleiben könnten, denn sie wollten sich nicht voneinander trennen.
    Ich war überrascht, daß sie so großen Wert darauf legten, zusammenzubleiben, denn auf der Farm war es ihnen nicht leichtgefallen, sich zu vertragen; sie wußten gemeinhin nicht eben viel Gutes voneinander zu sagen. Aber hier rückten sie alle geschlossen an, die großen, protzigen Viehhalter wie Kathegu, Kaninu und Mauge, Hand in Hand sozusagen mit den niedersten, besitzlosen Landarbeitern wie Waweru und Chota, die kaum eine Ziege ihr eigen nannten, und waren alle vom gleichen Geist beseelt und gleichermaßen willens, zusammenzuhalten und ihr Vieh zu behalten. Ich fühlte, daß sie nicht nur von mir wissen wollten, an welchem Ort sie leben sollten, sondern daß sie ihre Existenz in meine Hand legten.
    Es ist mehr als nur der Boden, was den Menschen genommen wird, denen man die heimatliche Erde nimmt. Es ist ihre Vergangenheit, ihr Wurzelgrund, ihr Eigensein. Raubt man ihnen die Dinge, die sie seit je gesehen haben und allzeit zu sehen hofften, so kann man ihnen eigentlich ebensogut die Augen rauben; entreißt man ihnen die Dinge, die sie seit je befühlt und gehandhabt haben, so kann man ihnen geradesogut die Hände abreißen. Das gilt in höherem Maße von Primitiven als von Kulturmenschen, und Tiere gar wandern weite, gefahrvolle, leidensvolle Wege dahin zurück, wo sie ihr Wesen wiederfinden an den Dingen, die ihnen vertraut sind.
    Als die Massai aus ihren alten Wohnsitzen im Norden der Bahnlinie in das heutige Massaireservat verpflanzt wurden, führten sie die Namen ihrer Berge, Steppen und Flüsse mit sich und gaben sie den Bergen, Steppen und Flüssen des neuen Landes. Für fremde Reisende ist das sehr verwirrend. Die Massai nahmen ihre abgeschnittenen Wurzeln als Heilmittel mit und versuchten, in der Verbannung sich ihre Vergangenheit durch einen Zauber zu erhalten.
    Aus dem gleichen Instinkt der Selbsterhaltung klammerten sich nun meine Squatter aneinander. Wenn sie schon aus ihrem Lande gehen mußten, sollten wenigstens die Menschen um sie sein, die es gekannt hatten und ihre Identität bezeugen konnten. Dann konnten sie wenigstens etliche Jahre von der Geographie und Geschichte der Farm sprechen, und was der eine vergessen hatte, mochte der andere behalten haben. Die Schande des Ausgelöschtseins war es, wovon sie sich bedroht fühlten. »Geh, Memsahib«, sagten sie mir, »geh für uns zum Serkali und erwirke uns von ihm, daß wir all unser Vieh mitnehmen dürfen an den neuen Ort und daß wir alle beieinanderbleiben dürfen, da, wo wir hingehen werden.«
    Damit begann für mich eine Pilgerfahrt oder Betteltour, die meine letzten Monate in Afrika ausfüllte.
    Als Sachwalterin der Kikuju wandte ich mich zuerst an die Bezirkskommissare in Nairobi und Kiambu, dann an das Eingeborenenamt und die Landvermessung und schließlich an den Gouverneur, Sir Henry Byrne, selbst, den ich noch nicht kannte, da er gerade erst von England eingetroffen war. Zuweilen mußte ich den ganzen Tag in Nairobi zubringen oder zwei- und dreimal am Tage hinfahren. Immer wenn ich heimkam, saßen einige Squatter bei meinem Hause auf Posten; sie fragten mich nicht, wie es stand, sie hielten nur Wache und übertrugen mir durch einen Zauber ihrer Natur die Kraft, auf dem Wege auszuharren.
    Die Regierungsbeamten zeigten sich geduldig und gefällig. Die Schwierigkeiten der Sache waren nicht von ihnen geschaffen, es war wirklich ein Problem, im Kikujureservat einen unbewohnten Landstrich zu finden, der groß genug war, um all die Menschen und ihr Vieh aufzunehmen.
    Die meisten der Beamten waren seit langem im Lande und kannten die Eingeborenen genau. Sie versuchten nicht im Ernst, den Ausweg vorzuschlagen, die Kikuju sollten einen Teil ihres Viehbestandes verkaufen. Sie wußten zu gut, daß das unter keinen Umständen zu erreichen war; und sie in ein
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