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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika
Autoren: Tania Blixen
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Askari ist, welche sich ein Vergnügen daraus machen, vor den anderen Schwarzen mit ihrer Machtfülle zu prunken.
    Während all der Jahre in Afrika habe ich keinen Augenblick von solcher Bitterkeit erlebt. Die Ohnmacht, die Menschen nicht schützen und verteidigen zu können, die auf einen bauen, ist wohl das härteste Schicksal, das ein menschliches Wesen treffen kann. Noch nie hatte mein Herz sich mit solchem Ungestüm gegen etwas aufgebäumt, was mir widerfuhr. Es kam mir nicht einmal in den Sinn, ein Wort zu sagen, die Nichtigkeit des Wortes stand zu handgreiflich vor mir.
    Die greisen Kikuju standen da wie eine Herde alter Schafe, all die vielen Augen unter den runzeligen Lidern hefteten sich auf mich. Sie vermochten nicht, in einer Sekunde etwas aufzugeben, wonach ihr ganzes Sinnen stand; einige von ihnen vollführten mit den Beinen kleine, zuckende Bewegungen, sie waren zum Tanzen gekommen, und tanzen mußten sie. Schließlich sagte ich ihnen, unsere Ngoma sei beendet. Die Nachricht, das wußte ich, würde in ihrem Geiste eine andere Bedeutung annehmen, aber welche, das wußte ich nicht. Vielleicht begriffen sie augenblicks, wie ganz und gar zu Ende unsere Ngoma in Wahrheit war, daß niemand mehr da war, vor dem sie hätten tanzen können, da es mich ja nicht mehr gab – vielleicht dachten sie, es sei in Wirklichkeit schon zu Ende, sei schon getanzt worden, eine einzigartige Ngoma von solcher Wucht, daß alles andere in nichts versank, daß nun, da es vorüber war, nichts übrigblieb.
    Ein kleiner Dorfköter auf der Wiese nutzte die allgemeine Stille und kläffte laut auf. Ein Echo tönte in mir nach: Sogar die dummen kleinen Hunde, sieh, Tray, Blanch und Sweetheart, kläffen mich nun an.
    Kamante hatte den Tabak zu verwalten, der nach dem Tanz an die Alten verteilt werden sollte. Mit seiner gewohnten, ruhigen Geistesgegenwart hielt er jetzt den Augenblick für gekommen und trat mit einer riesigen Kalebasse voll Schnupftabak vor. Farah winkte ihm ab, aber Kamante war ein Kikuju, er wußte, wie den alten Tänzern zumute war, und ließ sich nicht irremachen. Der Schnupftabak war etwas Greifbares. Wir verteilten ihn gemeinsam an die alten Männer. Nach einer kleinen Weile zogen sie ab.
     
    Am meisten von allen Bewohnern der Farm beklagten wohl meinen Weggang die alten Weiber. Die alten Kikujuweiber hatten ein hartes Leben und sind selbst unter ihrer Bürde kieselhart geworden wie alte bissige Maultiere. Sie waren nicht so leicht von einer Krankheit umzubringen wie ihre Männer – ich habe das oft in meiner ärztlichen Praxis erfahren –, sie waren unbändiger als die Männer und auch gründlicher als diese jeder Fähigkeit zur Ehrfurcht bar. Sie hatten eine Schar von Kindern geboren und hatten viele von ihnen sterben sehen, sie schreckte nichts mehr. Sie schleppten an einem Riemen, der über die Stirne lief, zent nerschwere Stapel von Brennholz auf dem Rücken, schwankend unter der Last, aber ungebrochen, sie hackten die harte Erde ihrer Schambas, den Kopf am Boden, vom frühen Morgen bis zum späten Abend. »Nach Beute wühlt sie da, das Auge schweift ins Weite. Ihr Herz ist hart wie Stein, ja, wie ein Stück vom untern Mahlstein – reckt sie sich einmal auf, so scheucht sie Roß und Reiter.« Und doch verfügten sie über einen unerschöpften Vorrat von Freudigkeit; Lebenskraft strahlte von ihnen aus. Die alten Weiber waren überall dabei, wo etwas auf der Farm passierte, sie konnten zehn Meilen laufen, um einer Ngoma der jungen Burschen zuzuschauen, über einen Witz oder einen Napf voll Tembo verzogen sich ihre runzeligen, zahnlosen Gesichter zu unbändigem Grinsen. Diese Kraft und Lebenslust machten sie in meinen Augen nicht nur höchst achtenswert, sondern liebenswert und bezaubernd.
    Die alten Weiber der Farm waren immer meine Freunde gewesen. Sie waren es, die mich Jerrie nannten, die Männer und Kinder gebrauchten nie diesen Namen für mich. Jerrie ist ein Mädchenname der Kikuju, aber er hat noch einen besonderen Sinn: wenn in einer Kikujufamilie ein Mädchen lange Zeit nach anderen Brüdern und Schwestern geboren wird, dann nennt man es Jerrie; ich glaube, es ruht ein zärtlicher Ton auf dem Namen.
    Nun trauerten die alten Weiber, weil ich sie verließ. Aus dieser letzten Zeit bewahre ich im Gedächtnis das Bild einer alten Kikujufrau, deren Namen ich nicht weiß; ich kannte sie kaum, sie gehörte, glaube ich, zu Kathegus Gehöft und war die Frau oder Witwe eines seiner vielen Söhne. Sie begegnete
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