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Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Sabine Klewe
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PROLOG
    März 1947

    Es dämmerte schon, als der Zug aus Köln in den Bahnhof Blankenheim Wald einfuhr. In einer Wolke aus weißem Dampf kam die mächtige Lokomotive zum Stehen. Türen wurden aufgestoßen, Menschen drängten hinaus, ein Mann im Anzug mühte sich mit einem übergroßen Koffer ab, bis der Gepäckträger ihm zu Hilfe eilte. Ein einbeiniger Kriegsveteran humpelte mithilfe von Krücken auf das Bahnhofsgebäude zu. Eine Mutter, schwer beladen mit Taschen, zog zwei quengelnde Kinder hinter sich her.
    Ganz zum Schluss, als die ersten Türen bereits wieder geschlossen wurden, stieg eine junge Frau aus dem letzten Waggon. Sie trug ein Kopftuch und ihr Blick war auf den Boden gerichtet, mit der linken Hand umklammerte sie die Tragegriffe einer verschlissenen Reisetasche. Im rechten Arm hielt sie ein Bündel, das sie fest an sich presste. Langsam, fast widerwillig näherte sich die Frau dem Gebäude. Immer wieder schaute sie zu dem Zug zurück, als hätte sie dort etwas zurückgelassen, das ihr am Herzen lag, das sie aber nicht mitnehmen durfte.
    Erst als die Frau das Bahnhofsgebäude auf der Straßenseite wieder verließ, hob sie den Kopf und sah sich suchend um. Ihr Gesicht war blass, die Augen wirkten müde. Inzwischen war es fast dunkel. Die meisten anderen Reisenden hatten sich bereits zerstreut, einige waren mit Wagen abgeholt worden, andere liefen zu Fuß die Straße entlang, die nach Blankenheimerdorf führte. Nur die Frau blieb abwartend stehen. Der Gepäckträger näherte sich, doch sie schüttelte den Kopf, und so wandte er sich wieder ab.
    Mit einem Mal war von ferne ein Geräusch zu hören, das laute Tuckern eines schweren Motors. Kurz darauf waren auf der Straße Scheinwerfer zu sehen, dann die Konturen eines Traktors, der sich langsam näherte. Die Frau atmete tief aus, ihre Gesichtszüge entspannten sich.
    Wenig später hielt der Traktor vor dem Bahnhofsgebäude. Ein junger Mann in schmutziger Arbeitskleidung sprang herunter. Er und die Frau begrüßten sich mit einem Kopfnicken, beide wirkten verlegen. Der Mann nahm der Frau die Tasche ab und half ihr auf das Gefährt. Sie ließ sich auf dem Sitz über einem der riesigen Räder nieder. Das Bündel hielt sie noch immer fest an sich gepresst.
    Der Mann kletterte wieder hinter das Lenkrad und deponierte die Tasche neben sich. »Ich musste noch die Hühner füttern«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte sie.
    Mehr sprachen sie nicht.

1
    Dienstag, 8. Mai

    Ein Telefonklingeln kann die Welt verändern. Es kann Kriege auslösen und Ehen beenden, es kann eine Katastrophe verhindern oder zwei Menschen versöhnen. In jedem Telefonklingeln steckt eine Verheißung, eine unendliche Anzahl an Möglichkeiten, die sich in Luft auflösen, wenn man abhebt.
    Als das Telefon an diesem Nachmittag klingelte, dachte Katrin nur an das aufgeschlagene Buch auf ihrem Schoß und den heißen Tee in ihren Händen. Sie warf einen raschen Blick zu ihrem Freund Manfred, doch von dieser Seite war keine Hilfe zu erwarten. Manfred lag ausgestreckt auf dem Sofa, die Augen geschlossen, dicke Kopfhörer schirmten ihn von der Außenwelt ab. Über ihm auf der Fensterbank hatte Rupert sich zusammengerollt, doch selbst wenn der Kater wach gewesen wäre, hätte er Katrin wohl kaum den Gang zum Telefon abgenommen.
    Sie spielte mit dem Gedanken, den Anrufbeantworter anspringen zu lassen, doch dann fiel ihr der Kunde ein, der sich noch heute melden wollte. Seufzend stellte sie die Tasse ab, legte das Buch zur Seite und erhob sich aus dem Schaukelstuhl.
    »Katrin Sandmann«, meldete sie sich, als sie das Telefon in der Diele erreicht hatte.
    »Katrin, bist du das?«
    Als Katrin die Stimme erkannte, ärgerte sie sich. Dieses Gespräch hätte sie gern dem Anrufbeantworter überlassen. Es war Manfreds Mutter, und wie immer klang sie abgehetzt, als hätte sie das Telefonat mühsam zwischen zwei Geschäftstermine gequetscht. In Wahrheit hatte Ruth Kabritzky alle Zeit der Welt. Doch sie schaffte es trotzdem, ständig in Zeitnot zu sein. Noch bevor Katrin die überflüssige Frage beantworten konnte, sprach Ruth weiter. »Wie gut, dass ich euch erreiche, ich hatte schon befürchtet, ihr wärt unterwegs.«
    »Hallo, Ruth«, sagte Katrin. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich muss mit Manfred sprechen, sofort. Er ist doch da, oder?«
    Katrin warf einen Blick ins Wohnzimmer. Normalerweise wäre Manfred um diese Zeit noch in der Redaktion. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und war spezialisiert auf lokale
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