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0621 - Weckt die Toten auf!

0621 - Weckt die Toten auf!

Titel: 0621 - Weckt die Toten auf!
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Gelbe Flammen tanzten über schwarzen Kerzen. José Selva trat an den ebenfalls schwarzen Altar. Die Kapuze seiner weißen Kutte verbarg sein Gesicht auch noch, als er aufblickte und das auf einer Spitze stehende Pentagramm anschaute, das sich hinter dem Altar erhob. Der fünfzackige Stern im Kreis glühte grell und ließ eine gehörnte Teufelsfratze aufschimmern.
    José erschrak nicht vor dem Anblick. Er sah auch nicht in die Runde zu den anderen, die sich um ihn herum versammelt hatten.
    Er sah nur das Opfer an.
    Es war gefesselt. Stahlspangen hielten die Gliedmaßen so fest, daß das Mädchen sich auf keinen Fall befreien konnte. Die Knebelung verhinderte, daß das Opfer schrie.
    Natürlich hätte niemand die Schreie hören können. Doch sie störten den Ablauf der Zeremonie, störten den Zweiten Erwecker in seiner Konzentration. Das mußte nicht sein.
    Heute war José Selva der Zweite Erwecker. Beim nächsten Mal war es vielleicht ein anderer, oder auch wieder er. Das diabolische Los konnte jeden von ihnen treffen. Manche oft, andere selten. Jeder hoffte, beim nächsten Mal derjenige sein zu dürfen, der die Erweckung ermöglichte.
    José war es erst zum dritten Mal.
    Dennoch spürte er keine Erregung. Weder in seiner Funktion als Erwecker, noch als Mann beim Anblick des nackten Mädchens, das ihn aus geweiteten Augen in panischer Angst anstarrte.
    Die anderen begannen mit dem Gesang. José stimmte darin ein. Als es an der Zeit war, streckte er die Hand aus.
    Der Dolch erschien aus dem Nichts.
    José betrachtete ihn, dieses Wunderwerk der Magie. Kunstvoll verziert und ständig wechselnd in seinem Aussehen. Die Verzierungen zeigten in rascher Folge Szenen, die sich in den sieben Kreisen der Hölle abspielen mußten. Menschliche Phantasie war kaum in der Lage, sie sich vorzustellen, geschweige denn, sie auszuleben.
    José lächelte.
    Er hob den Dolch, zeichnete mit der Spitze ein unsichtbares Muster auf den vor ihm liegenden Körper. Ganz leicht nur strich die Spitze über die Haut, berührte sie nur, ohne sie zu verletzen.
    Und stieß dann unter stärkstem Druck mitten hinein ins Leben.
    ***
    Vor Jorge Navarro öffnete sich die Gruft. Krachend barst das Monument auseinander, das sich hinter der Grabplatte erhob und einen weinenden Engel zeigte. Er zerfiel in mehrere Teile. Die Grabplatte schwebte empor, glitt zur Seite.
    Jorge hielt die blinden Augen geschlossen. Sein Geist griff zu, öffnete den Sarg. Ließ den Leichnam emporschweben.
    Den Leichnam einer jungen Frau. Bereits in Verwesung übergegangen. Aber das störte Jorge nicht.
    Der Erste Erwecker ließ die Magie wirken.
    Der Körper der Toten veränderte sich. Die Zerfallserscheinungen schwanden, die Haut wurde straff und glatt, die Flecken lösten sich einfach auf.
    Die Augen öffneten sich, sahen stumpf und glanzlos in die Nacht.
    Beide Hände hielt Jorge ausgestreckt. Von seinen nach unten gerichteten Handflächen ging die Kraft aus, die die wie auf einem unsichtbaren Brett ausgestreckt schwebende Tote jetzt schon gut einen Meter über dem offenen Grab hielt. Doch nun reckte Jorge einen Arm zum sternenlosen Nachthimmel empor.
    Ein Blitz zuckte auf. Schuf für den Bruchteil einer Sekunde ein bizarres, flackerndes Licht von bläulicher Blässe, ließ in der Stadt einige wenige Menschen überrascht aufschauen, die sich gerade im Freien aufhielten.
    In die Augen der Toten kam Glanz. Sie begann, sich zu bewegen.
    Sie war nicht mehr tot.
    Leben war in ihren Körper zurückgekehrt.
    ***
    Leben schwand aus dem Körper des Opfers. José Selva sah durch die Wände des Tempels hindurch den Blitz, der für weniger als eine Sekunde die Nacht erhellte. Er hörte den stummen Schrei des Opfers, und er hörte den stummen Schrei der Erweckten. Da wußte er, daß es gut war. Das Ritual, in seinen Teilen exakt abgestimmt, war vollzogen.
    Kein Blut floß aus dem Leichnam das Mädchens auf dem Altar. Auch die magische Klinge des Dolches blieb unbenetzt, aber sie zeigte jetzt keine diabolischen Bilder mehr, sondern war wieder zu einem einfachen Dolch geworden. Als der Zweite Erwecker die Hand ausstreckte, verschwand der Dolch so lautlos, wie er zuvor in ihr aufgetaucht war.
    José lächelte.
    Er wandte sich um und schritt davon, zwischen den Sektenbrüdern hindurch, ohne sie zu beachten oder von ihnen beachtet zu werden. Was noch zu tun war, würden sie erledigen. Der Zweite Erwecker durfte diese Tote jetzt nicht mehr berühren, niemals wieder.
    Die Brüder näherten sich dem
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