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0621 - Weckt die Toten auf!

0621 - Weckt die Toten auf!

Titel: 0621 - Weckt die Toten auf!
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Altar, um ihre Arbeit zu tun.
    Das Werk war vollbracht. Wieder einmal.
    Und die Satansfratze im Drudenfuß hinter dem Altar lachte grell und meckernd auf, um dann zu verblassen, während das Glühen des fünfzackigen Sterns langsam verging. Bald würden auch die schwarzen Kerzen erlöschen.
    ***
    Langsam kippte der Körper der jungen Frau in die Senkrechte. Immer noch schwebte er, dirigiert von den Händen des blinden Erweckers. Dann stand sie endlich auf ihren Füßen vor der Gruft.
    Sie wandte sich nicht um. Was hinter ihr lag, existierte für sie nicht.
    Jorge Navarros Lippen bewegten sich.
    »Du gehörst mir, für immer und ewig, so lange du dich auf Erden bewegst«, sagte er lautlos.
    Sie antwortete nicht.
    Setzte einen Fuß vor den anderen und schritt wie eine Schlafwandlerin davon. Auch jetzt wandte sie sich nicht úm. Eine gespenstische Gestalt in der Dunkelheit, in ein zerfallendes Totenhemd gekleidet.
    Er lächelte dünnlippig.
    Ja, sie gehörte ihm. Für immer und ewig. Denn er hatte sie erweckt.
    Zumindest ihren Körper.
    Ihre Seele erreichte längst niemand mehr, der auf dunklen Pfaden schritt.
    Aber die Seele wollte Jorge Navarro ja auch nicht.
    Und ihren seelenlosen Körper würde er in Anspruch nehmen, wenn es an der Zeit war. Nicht jetzt. Deshalb ließ er sie gehen.
    Er sah noch einmal in das leere Grab. Mit der Macht seines Willens schob er die Grabplatte wieder darüber. Alles sah fast so aus wie zuvor.
    Störend war nur der zerborstene Marmorengel. Aber das ließ sich nicht rückgängig machen.
    Mochte sich jemand darüber wundern; vielleicht würden die Zeitungen wieder vom Vandalismus trunkener Jugendbanden schreiben, die sich bei Nacht auf Friedhöfen austobten.
    Der Blinde wandte sich ab und verschwand lautlos in der sternenlosen Nacht.
    ***
    Ein betagter Chevrolet-Kombi rollte unbeleuchtet durch schmale dunkle Gassen voller Unrat und stets enttäuschter Hoffnungen. Einmal stoppte das Fahrzeug kurz. Die Heckklappe wurde von innen aufgestoßen. Etwas Dunkles rollte heraus, fiel auf die Straße. Die Heckklappe schloß sich, mit durchdrehenden Rädern jagte der Wagen davon, dessen Kennzeichen entfernt worden waren. Aber es hätte sich ohnehin niemand für das Fahrzeug interessiert.
    So blieb auch das in Decken gewickelte Etwas lange Zeit unbeachtet auf der Straße liegen, bis irgendwann in den frühen Morgenstunden jemand darüber stolperte. Es zur Seite zerrte, zwischen den Abfall, der aus überfüllten und umgekippten Mülltonnen gerutscht war und in dem Ratten vergeblich nach Eßbarem suchten -was für Ratten genießbar war, hatten hungrige Menschen längst eingesammelt und gierig heruntergeschlungen. Ein paar vorwitzige Ratten waren bereits dabei gewesen, sich an dem eingewickelten Etwas zu vergreifen.
    Die Decken klafften auf.
    Gaben den Blick auf eine Leiche frei. Ein blutleeres, totes Mädchen.
    »Wieder mal«, murmelte der Mann, der es gefunden hatte, und überlegte, ob es sich lohnte, die Polizei zu benachrichtigen. Aber es gab viele tote Mädchen in Rio de Janeiro. Es gab auch viele tote Männer. Es starb sich schnell, wenn auch nicht leicht in diesem Teil der Riesenstadt. Ein namenloser Toter mehr oder weniger - wen kümmerte es schon?
    Das einzige, was den Finder erstaunte, war die ungewöhnliche Blässe und die geradezu eingeschrumpelte Haut. Tatsächlich blutleer. Selbst die Wunde wies nicht einmal geringste Rückstände von verkrustetem Blut auf.
    Das deutete nicht unbedingt auf einen normalen Mord hin - sofern man Mord überhaupt normal nennen konnte.
    »Na gut«, murmelte der Mann wenig begeistert. »Rufen wir also die Polizei. Soll die sich den Kopf darüber zerbrechen…«
    Er fand keine funktionierende Telefonzelle in der Nähe und hielt schließlich ein Taxi an, dessen Fahrer endlich die Polizei benachrichtigte.
    Der Finder des Leichnams war längst wieder verschwunden.
    ***
    Es war längst hell, als Jorge Navarro an einer Haustür klingelte. Ein Mercedes 280 SEL aus den 70er Jahren, chromblitzend und in dunklem metallicblau schimmernd, hatte ihn an sein Ziel gebracht.
    »Die Arbeit ist getan«, sagte Jorge.
    Er trug jetzt keine weiße Kutte mehr, sondern einen weißen Anzug. Auf eine dunkle Brille, die seine blinden Augen verbarg, hatte er verzichtet. Es gefiel ihm, andere mit diesen toten Augen zu erschrecken oder zu verunsichern.
    »Und wo ist Rosita jetzt? Warum haben Sie sie nicht mitgebracht?« fragte der Mann, der Jorge etwas widerstrebend in ein geräumiges, edel
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