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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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hatte keine Ahnung, ob ich es wirklich schaffen würde, auch wenn ich wusste, dass es sein musste. Semjaza blieb unbewegt. Er sah mir in die Augen, und in seinem Blick lag tiefe, ewige Liebe.
    »Was auch immer du tust, Ellspeth, ich werde deine Entscheidung annehmen. Deine Mutter und ich wussten beide, dass dieser Augenblick eines Tages kommen würde, und ich habe ihr auf dem Sterbebett versprochen, dass ich mich dir nicht widersetzen würde. Bitte vergiss nicht, dass ich dich immer lieben werde, so, wie ich deine Mutter immer geliebt habe. So, wie ich alle Menschen liebe.«
    Tränen liefen mir übers Gesicht. Das konnte doch nicht richtig sein. Ich sah wirklich nichts als Liebe in ihm, auch wenn es keine vollkommene Liebe war. Ich zögerte. Das Schwert in meiner Hand flackerte und drohte zu verlöschen.
    Dann spürte ich, wie sich Michaels Finger um meine linke Hand schlossen. Als ich ihm einen Blick zuwarf, sah ich in seinen Augen kein Zögern mehr. Der Stolz war erloschen, jetzt brannte in ihm nur noch die reine Flamme der Liebe und Treue. Für mich.
    Er beugte sich zu mir. »Ich liebe dich, Ellie, und ich habe dir versprochen, dir zu folgen. Dies ist dein Urteil. Der Augenblick ist gekommen. Nur du kannst es tun. Tu es.«
    Michael blieb bei seinem Wort, auch wenn ihn dies zwang, seinen Stolz – und seine Rolle als Herrscher über die Menschheit – aufzugeben. Er tat es für die Menschen und für mich. Seine Selbstaufopferung gab mir den Mut und die Entschlossenheit, die ich brauchte.
    Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Alles, was ich tun musste, war, das Schwert zu erheben. Ich musste nicht einmal Semjazas Blut trinken, bevor ich ihn tötete. Es floss bereits in meinen Adern.
    Das Schwert lag schwer in meiner Hand, als ich es über den Kopf des letzten Gefallenen erhob. Semjaza, der Vater, den ich nie kennenlernen würde, wandte den Blick nicht von mir ab. Geduldig erwartete er mein Urteil.
    Die Klinge war nur noch Zentimeter von seinem Nacken entfernt. »Verzeih mir«, flüsterte ich.

Siebenundvierzig

    D ie Welt um mich herum wurde schwarz. Die Erde unter meinen Füßen begann zu beben, dann tat sie sich auf. Ich stürzte in die Tiefe, und mein Körper wurde in einen schier endlosen Strudel hineingerissen.
    Trotzdem hatte ich keine Angst. Wo ich war und was mit mir geschehen würde – all das war mir vollkommen gleichgültig.
    Denn ich hatte versagt. Ich hatte keine Erinnerung daran, meinen Vater getötet zu haben. Keine Erinnerung, dass ich das Schwert aus Feuer tatsächlich benutzt hatte. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war die Klinge, die über Semjazas Nacken schwebte, und meine eigene Unsicherheit.
    Mir war es nicht gelungen, den letzten der Gefallenen zu töten, bevor er das siebte Siegel öffnete und Michael, als der von ihm ausersehene Herrscher, die Welt ins endgültige Verderben stürzte. Ich hatte die Prophezeiung nicht erfüllt. Ich hatte meine Eltern und Ruth und den ganzen Rest der Menschheit einem grausamen Schicksal überantwortet.
    Die Schwärze, das Beben die Leere – das musste der Abgrund der Hölle sein. Vielleicht hatte ich nichts anderes verdient. Ich schloss die Augen und hörte auf zu denken.
    Aber nur kurz. Ohne Vorwarnung trafen meine Füße auf dem Boden auf. Ich spürte etwas Weiches, Körniges unter meinen Schuhen. Hinter meinen geschlossenen Lidern nahm ich Licht wahr. Ich wagte es, die Augen zu öffnen.
    Vor mir lag der atemberaubendste Ozean, den ich je gesehen hatte. Das Meer hatte die Farbe von Indigo, und die hohen Wellen waren schaumgekrönt. Das Körnige unter meinen Füßen war feiner weißer Sand. Am Horizont ging gerade die Sonne auf und tauchte alles in goldenes Licht.
    Irgendwie mussten wir an einem Strand gelandet sein. Ein Strand, der so schön war, dass ich ihn mir selbst in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können.
    Die Szene erinnerte mich an meine Visionen. Die Ähnlichkeit war fast schon unheimlich.
    Plötzlich fiel mir auf, dass ich nicht allein war. Jemand hielt meine Hand.
    Ich wandte den Kopf und sah weißblonde Haare, blassgrüne Augen und ein wunderschönes, vertrautes Gesicht. Mein Michael. Er war hier, bei mir. Nicht bei Semjaza, an der Spitze der neuen Weltordnung. Was war passiert? Ich dachte, ich hätte versagt. Ich war mir sicher, dass ich versagt hatte.
    Zögerlich fragte ich ihn: »Wo sind wir?«
    »Ransom Beach.«
    Kaum hatte er es gesagt, erkannte ich das Meer, die Küste und die Klippen hinter uns. Unsere Bucht
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