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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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Prolog

    M ichael und ich standen Hand in Hand. Die Welt um uns herum war in Schwarz getaucht. Kein Mond, kein Stern, kein künstliches Licht erhellte den nächtlichen Himmel. Es gab nur mich und Michael, allein in der Dunkelheit.
    Ich wusste, dass wir an einem Strand standen. Die Küstenlinie war kaum zu erkennen, aber ich hörte das Rauschen der Brandung vor uns, und unter meinen nackten Füßen spürte ich steinigen Sand.
    Ich hatte das Gefühl, dass wir auf etwas warteten. Die Luft war voller Verheißung, und ich spürte die Anspannung in Michaels Händedruck. Worauf wir warteten, wusste ich hingegen nicht.
    Ein Lichtschimmer erschien am Horizont – ein hauchdünner Streifen Gold, doch er genügte, um die Umgebung klarer hervortreten zu lassen. Schaumgekrönte Wellen tauchten vor uns auf, und hinter uns ragten steile Klippen empor. Ich sah Michaels blonde Haare, seine grünen Augen und sein wunderschönes Gesicht. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich den Ort kannte: Es war Ransom Beach.
    Die Sonne stieg höher, und plötzlich sahen wir alles scharf wie unter einem Brennglas. Selbst kleinste Details der Landschaft wurden sichtbar, bis hin zu dem Heidekraut, das in kleinen Büscheln in den Felsspalten am Steilhang wuchs. Die Welt wirkte heller, klarer. Vollkommener.
    Ich spürte, dass wir auf genau diesen Augenblick gewartet hatten. Ich drehte mich zu Michael um, und wir lächelten uns voller Freude und Verständnis an.
    Auf einmal drang aus weiter Ferne das Läuten einer Glocke an mein Ohr. Ich versuchte, nicht hinzuhören, aber das Geräusch wurde immer lauter und drängender. Ich ahnte, dass die Glocke mich zurückrief. Uns beide.
    Als ich Michaels Miene sah, wusste ich, dass er die Glocke ebenfalls gehört hatte, und auch er schien zu begreifen, was sie bedeutete. Keiner von uns wollte Abschied nehmen von diesem wunderschönen Ort, aber wir hatten keine Wahl. Man rief nach uns.
    Wir fassten uns fester an den Händen und schlossen die Augen.
    Dann stiegen wir empor.

Eins

    D as Ende der Zeit begann nicht so, na ja, apokalyptisch, wie man vielleicht meinen möchte.
    Der Wecker klingelte um Viertel vor sieben wie an jedem Schulmorgen, und wie an jedem Schulmorgen drückte ich zweimal auf die Snooze-Taste. Ich brauchte unbedingt noch ein paar Minuten Schlaf, um den verstörenden Traum von mir und Michael am Ransom Beach abzuschütteln. Erst als der Wecker zum dritten Mal sein nervtötendes Klingelgeräusch hören ließ, stellte ich ihn ganz aus.
    Dann machte ich die Augen einen kleinen Spalt weit auf.
    Statt mitten im Armageddon war ich zu Hause in meinem Bett aufgewacht, als wäre dies ein Tag wie jeder andere. Wie war ich von Boston nach Tillinghast gekommen? Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, waren der Quincy Market und Michael und – o Gott, Ezekiel.
    Ich schlug die dicke Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Meine Füße berührten den kalten Dielenboden. Es war ein kühler Herbstmorgen, und ich fröstelte, als ich zum Schreibtisch tappte, um mir meine schwarze Tasche zu holen, die ich überallhin mitnahm. Darin würde sich bestimmt ein Hinweis auf meinen Aufenthalt in Boston finden. Vielleicht sogar eine Erklärung, wie ich hierher zurückgekommen war.
    Ich durchwühlte die Tasche, konnte aber nichts finden, was bewiesen hätte, dass ich in Boston gewesen, geschweige denn, wie ich von dort nach Hause gekommen war. Keine Fahrkarte, kein Kassenzettel aus dem Coffeeshop, kein Schnipselchen Papier mit einer Bostoner Adresse darauf. Nur das ganz normale Durcheinander aus Büchern, Unterrichtsmitschriften, Handy und Geldbeutel.
    Hatte ich das mit Boston nur geträumt? Und wenn ja, war dann die Sache mit den Nephilim und der Auserwählten auch bloß ein Traum gewesen? Hatte ich mir das Fliegen und den Blutdurst eingebildet? War am Ende sogar meine Beziehung mit Michael nichts weiter als ein Hirngespinst?
    Irgendwie glaubte ich nicht so recht daran. Ein Teil von mir wollte sofort Michael anrufen und ihn fragen. Aber wie sollte ich das Thema ansprechen? Wenn ich Pech hatte, würde er bloß denken, dass seine Freundin nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte – falls ich überhaupt seine Freundin war . Das Risiko wollte ich dann doch lieber nicht eingehen.
    Ich beschloss, nach unten zu gehen, um beim Frühstück mit meiner Mutter zu reden. Falls ich tatsächlich gestern mit Michael in Boston gewesen war, würde sie mich definitiv darauf ansprechen. Sie konnte mir gewissermaßen als Test dafür
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