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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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dienen, was real war und was nicht.
    Als ich mich aus der relativen Sicherheit meines Zimmers auf den Flur hinauswagte, fiel mein Blick auf ein Foto, das unten im Rahmen meines Spiegels steckte. Ich ging einen Schritt näher heran und sah, dass es ein Foto von mir und Michael auf dem Herbstball war. Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr mir. Unsere Beziehung war also keine Fantasie. Wenigstens etwas.
    Blieb noch die Geschichte mit den Nephilim und der Auserwählten …
    Ja, ein kurzes Gespräch mit meiner Mutter war genau das, was ich jetzt brauchte, um in meinem Kopf für Klarheit zu sorgen.
    Aber als ich die Hand aufs Treppengeländer legte, um nach unten zu gehen, überkam mich mit einem Mal die beunruhigende Gewissheit, dass dies kein gewöhnlicher Tag war. Und dass es in absehbarer Zeit auch keine gewöhnlichen Tage mehr geben würde.

Zwei

    M eine Mutter verhielt sich ganz normal. Fast schon zu normal. Aber vielleicht kam mir das auch nur so vor, weil ich selbst so verunsichert war.
    Von ihrem Platz auf der anderen Seite des Küchentresens aus fragte sie erstaunt: »Liebes, warum hast du denn noch deinen Schlafanzug an? Du musst in fünf Minuten zur Schule!«
    Ich ließ den Blick durch die Küche schweifen, die nicht anders aussah als sonst. Auch Mom war genau wie immer: bester Laune und zum Verzweifeln hübsch. Sie hatte dunkle, glänzende Haare und makellose porzellanweiße Haut, auf der nur ein paar winzige Fältchen zu sehen waren. Manchmal war es deprimierend, eine dermaßen schöne Mutter zu haben.
    Da ich nicht sofort eine Antwort gab – ich wollte etwas möglichst Unverfängliches sagen, mir fiel aber nichts ein –, kam meine Mutter zu mir und fühlte meine Stirn. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ich nicht fieberte, fragte sie: »Liebes, ist alles in Ordnung?«
    Auch der Kosename war nichts Ungewöhnliches. Meine Eltern nannten mich so gut wie immer »Liebes«, außer wenn sie sauer waren, dann nannten sie mich bei meinem offiziellen, hoffnungslos altmodischen Namen »Ellspeth«, den ich nicht ausstehen konnte.
    »Es geht mir gut, Mom. Ich hatte bloß gerade so einen komischen Traum.«
    Mit sehr, sehr ruhiger Stimme fragte sie: »Was war das für ein Traum, Liebes?«
    »Ach, nichts. Bloß ein Traum eben. Ich beeil mich mal lieber.«
    Ich marschierte zurück nach oben in mein Zimmer, griff mir wahllos ein paar Sachen zum Anziehen und ging ins Bad. Dort betrachtete ich meine durchscheinenden blauen Augen im Spiegel und kämmte meine langen, schnurgerade herunterhängenden schwarzen Haare. Egal, wie seltsam ich mich fühlte und wie sehr ich mich innerlich vielleicht verändert hatte – nach außen hin war ich immer noch dieselbe alte Ellie, ein ganz normales Mädchen, das gerne las und die Welt bereiste, das eine beste Freundin namens Ruth hatte und einen – noch ziemlich frischen – Freund namens Michael. Aber je länger ich mein Spiegelbild anstarrte, desto drängender wurde in mir die Frage, wie um alles in der Welt ich es anstellen sollte, mir nicht anmerken zu lassen, was ich wusste. Oder was ich zu wissen glaubte .
    Gleich nach dem Aufwachen war mir nämlich eingefallen, dass Michael und ich nicht normal waren. Wir waren alles andere als das. Klar, als wir uns kennengelernt hatten, am ersten Schultag nach den Sommerferien, war das in meinen Augen schon ziemlich außergewöhnlich gewesen, nicht nur, weil ich in der elften Klasse war und er in der zwölften. Zuerst hatte ich gedacht, dieses neue, aufregende Gefühl wäre meine Verliebtheit, aber dann erfuhr ich, dass wir beide einige ganz besondere Fähigkeiten besaßen, die mir, ehrlich gesagt, immer noch ziemlich unglaublich vorkamen. Michael zeigte mir, dass wir die Gedanken anderer lesen konnten, indem wir sie berührten oder von ihrem Blut kosteten. Und er brachte mir das Fliegen bei. Wir hatten nicht die leiseste Ahnung, wer oder was wir waren, aber immerhin stand keiner von uns mit dieser Unwissenheit allein da.
    Michael und ich waren nach Boston gefahren, um mehr über unsere Natur und unsere Kräfte herauszufinden. Wir hatten erfahren, dass wir Nephilim waren, Mischwesen aus Engeln und Menschen, die schon im Buch Genesis erwähnt werden. Laut einer Prophezeiung im Buch Henoch sollen die Nephilim am Ende der Zeit auf die Erde zurückkehren. Welche Aufgabe sie dabei genau hatten, war uns allerdings noch nicht ganz klar. Ach so – und ich war die Auserwählte, was auch immer das nun wieder hieß.
    Dann hatten wir auch noch den
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