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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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was«, sagte sie mit einem Schwung ihrer perfekt gefönten Haare. Aber hinter der Schulprinzessin – eine Rolle, die sie in Vollendung beherrschte – sah ich die andere, insgeheim von Selbstzweifeln geplagte Piper, die mich um Verständnis, ja sogar Vergebung bat.
    Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Mich juckte es, ihr die Wahrheit zu sagen – dass sie mit ihrer abfälligen Bemerkung gar nicht so falschlag. Dass ich ein halber Engel war und deswegen nicht einfach tatenlos zusehen konnte, wie sie andere aus Spaß ins Unglück stürzte. Dass sie gut daran täte, sich fortan genau zu überlegen, was sie anstellte, und für ihre bereits verübten Missetaten Buße zu tun, weil die Uhr bald abgelaufen und es dann mit ihren kranken Spielchen ein für allemal vorbei wäre.
    Mir platzte fast der Kopf. Wer war ich? Wie sollte ich mich verhalten?
    Bevor ich etwas sagen konnte, was ich womöglich bereut hätte, tauchte Michael neben mir auf und zog mich mit sich fort.
    »Geht’s dir gut, Ellie? Du siehst so blass aus«, meinte er, sobald wir allein waren. Ich muss einen total verstörten Eindruck gemacht haben, denn er klang ziemlich besorgt.
    »Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege, Michael. Ich sehe ja ein, dass wir so tun müssen, als ob nichts wäre, aber es fällt mir jetzt schon wahnsinnig schwer. Ich kann das, was ich weiß, nicht einfach ausblenden.«
    Er legte mir den Arm um die Schultern und lotste mich den Gang entlang in eine abgeschiedene Ecke. Ich wünschte mir so sehr, einfach hier in diesem warmen, dunklen Schlupfwinkel bleiben zu können, während er mich fest im Arm hielt. Es war der einzige Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Der einzige Ort, wo noch irgendwas einen Sinn ergab.
    Michael legte einen Finger unter mein Kinn und hob mein Gesicht zu seinem empor. »Natürlich kriegst du das hin, Ellie. Das weiß ich ganz genau.«
    Er drückte mir einen zweiten Brief in die Hand. Er nickte, um mir zu verstehen zu geben, dass ich ihn sofort lesen sollte. Also faltete ich das Papier auseinander und las.
    Meine Ellie,
    weißt Du noch, wie wir auf unserer Wiese zum allerersten Mal zusammen geflogen sind? Du warst so nervös. Du hast geglaubt, Du würdest abstürzen; Du wolltest Dich nicht vor mir blamieren; Du hattest Angst, etwas dermaßen … Übernatürliches zu tun. Und trotzdem warst Du wild entschlossen. Du hast Deine wunderschöne Stirn gerunzelt, Deine Angst beiseitegeschoben und Dich in die Luft geschwungen. Und mir hat es die Sprache verschlagen.
    Du hast atemberaubend ausgesehen da oben. Wie der Wind hinter Dir pfiff und Deine schwarzen Haare wild hin- und hergepeitscht hat – Du warst die Königin der Lüfte. Von Anfang an.
    Und gleich am nächsten Tag bist Du in die Schule gegangen, als wäre nichts passiert. Als wärst Du ein ganz normales Mädchen – natürlich hübscher und klüger als der Rest, aber ansonsten ein Mensch wie jeder andere.
    Genau dasselbe kannst Du jetzt wieder tun, Ellie. Es ist ein schmaler Grat zwischen den zwei Welten, aber Du kannst darauf balancieren, ohne herunterzufallen, wenn Du mutig und entschlossen bist. Schließlich machst Du es nicht zum ersten Mal.
    Ich liebe Dich,
Michael
    Ich musste lächeln, als ich den Brief las. Irgendwie hatte er geahnt, wie es in mir aussah, und genau gewusst, was er schreiben musste, um mir meine Selbstsicherheit zurückzugeben und mir zu helfen, mich wieder auf meine Stärke zu besinnen. Michael kannte mich wirklich in- und auswendig.
    »Danke«, flüsterte ich.
    »Denk daran, wer du bist, Ellie. Denk daran, dass du es schon mal gemacht hast. Also kannst du es jetzt wieder machen.«
    Ich nickte und schloss einen Moment lang die Augen. Als ich an die Zeit von vor ein paar Wochen zurückdachte, kehrte mein Selbstvertrauen zurück, wenngleich zögerlich und nur an der Oberfläche. Mir blieb gar keine andere Wahl. Ich musste die Rolle einer ganz gewöhnlichen Schülerin spielen, deren Welt sich ausschließlich um Hausaufgaben und ihren neuen Freund drehte. Und Michael musste so tun, als wäre er ein durchschnittlicher Zwölftklässler, der sich um Football und College-Bewerbungen und seine Freundin Gedanken machte. Von unseren schauspielerischen Fähigkeiten hing das Schicksal der Welt ab.
    Also auf zu Mathe. Während Mr Dalsimer an der Tafel irgendwelche Theoreme erklärte, beschloss ich, wegen meiner surrealen Lage nicht länger die Krise zu schieben, und begann stattdessen, unsere nächsten Schritte zu planen. Mich aufs Handeln zu
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