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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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gefallenen Engel Ezekiel töten müssen, Michaels leiblichen Vater, der sich als ziemlich unangenehmer Zeitgenosse entpuppt hatte.
    Ezekiel. Einiges von dem, was er uns erzählt hatte, spukte immer noch in meinem Kopf herum. Ich hörte ihn sagen, dass meine Eltern zwei der gefallenen Engel seien, die in Genesis erwähnt werden. Dass sie wie der Rest der ursprünglich zweihundert Gefallenen dazu verdammt worden seien, auf ewig auf der Erde zu wandeln, weil sie es gewagt hatten, sich entgegen Gottes Gebot mit den Menschen einzulassen und die Nephilim zu zeugen. Dass sie sich nun bemühten, zurück zur Gnade zu finden. Dass sie ihre Unsterblichkeit und ihre Engelkräfte aufgegeben hätten, um mich als ihre Tochter aufzuziehen – obwohl ich gar nicht ihr leibliches Kind war – und mich zu beschützen, bis die Endzeit anbrach.
    Falls das nicht alles ein Traum gewesen war … und diesbezüglich hatte ich immer noch gewisse Zweifel. Schließlich hatte meine Mutter Boston eben mit keinem Wort erwähnt.
    Ich stapfte zurück nach unten. Mir war ein bisschen mulmig zumute, weil ich nicht wusste, was der Schultag bringen würde. »Ich bin fertig, Mom, wir können los.«
    »Michael wollte dich doch heute Morgen abholen, Ellie. Schon vergessen?«
    »Ich habe keinen Hausarrest mehr?«
    »Nein, Liebes, der Hausarrest ist seit diesem Wochenende vorbei.« Sie hielt inne, dann fragte sie: »Bist du sicher, dass es dir gutgeht, Ellie?«
    »Bestens, Mom. Ich warte vorne auf Michael.«
    Ich murmelte noch ein paar Beteuerungen, dann ging ich und bezog Stellung an der Haustür. Ein Nieselregen hatte eingesetzt und machte jede Hoffnung auf einen sonnigen Herbsttag zunichte. Bevor ich jedoch Gelegenheit hatte, den Wetterumschwung allzu sehr zu beklagen – oder über eine der tausend Fragen nachzudenken, die in meinem Kopf umherwirbelten –, hörte ich das Knirschen von Autoreifen auf Kies. Mein Herz begann, vor Aufregung und Nervosität wild zu klopfen. Michael war da. Was sollte ich ihm sagen?
    Nachdem ich meiner Mutter einen letzten Abschiedsgruß zugerufen hatte, zog ich die Haustür hinter mir ins Schloss und lief zu seinem Wagen. Er öffnete mir von innen die Beifahrertür, und ich stieg in seinen Prius. Ich verbrachte ein paar Sekunden Zeit damit, mir den Regen von der Jacke zu wischen und in meiner Schultasche herumzukramen. Erst dann holte ich tief Luft und wagte es, ihn anzusehen.
    »Wie war dein Abend?«, fragte er mit seiner rauen, tiefen Stimme. Ganz egal, wie oft ich sie schon gehört hatte, sie ließ mich jedes Mal dahinschmelzen. Er beugte sich zu mir herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange.
    »Gut«, antwortete ich vorsichtig. »Und deiner?«
    Wir unterhielten uns ein bisschen über unsere Hausaufgaben, und ich schielte wieder zu ihm hinüber. Zum millionsten Mal dachte ich: Wow . Er war nicht im herkömmlichen Sinne gutaussehend, dazu war das Blond seiner Haare zu weiß und das Grün seiner Augen zu hell, aber mit seiner braungebrannten Haut und seinem schlanken, muskulösen Körper ergab das, wie ich fand, eine überaus faszinierende Mischung.
    Doch das Allerschönste war sein Lächeln. Ich liebte es, wie es sein sonst so ernstes Gesicht zum Leuchten brachte und wie er dabei die Augen zusammenkniff. Und am meisten liebte ich es, wie es jedes Mal, wenn ich mich um eine Fassade kühler Gelassenheit bemühte, diese in null Komma nichts zum Einsturz brachte. Wenn er mich anlächelte, dann wusste ich, dass er mich sah, so, wie ich wirklich war. So, wie mich noch nie zuvor jemand gesehen hatte.
    Ich lächelte zurück, und in dem Moment war es mir völlig egal, ob meine Erinnerungen an Boston, unsere übersinnlichen Fähigkeiten und unsere besondere Rolle während der Endzeit der Realität entsprachen oder nicht. Alles, was zählte, war, dass wir zusammen waren.
    Die friedliche Stille dauerte nicht lange an. Michael drehte den Zündschlüssel um, und »Cemeteries of London« von Coldplay erfüllte das Wageninnere. Er wusste, dass es einer meiner Lieblingssongs war.
    Über die Musik hinweg meinte er: »Kommt einem wirklich vor wie London draußen, stimmt’s?«
    Ich erstarrte. Hatte er gesagt, wovon ich dachte, dass er es gesagt hatte? Gestern hatten wir gemeinsam nach London fliegen wollen, von Boston aus. Oder war es bloß ein Zufall? Hatte es nur mit dem Lied und dem Wetter zu tun?
    »Das heißt …?«, wagte ich zu fragen.
    Als er meinen Gesichtsausdruck sah, wurde sein Lächeln ganz sanft. Bedeutungsvoll. Und ich
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