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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes
Autoren: Heather Terrell
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auszulassen, indem er sie zu endlosen Kriegen anstachelte. Jeder Mensch, der sich seinetwegen auf dem Schlachtfeld in einen mörderischen Blutrausch steigerte, war für ihn ein Sieg über seinen Schöpfer. Asael wollte über mich – und die Endzeit – bestimmen, um seine Schreckensherrschaft über den gesamten Erdball auszubauen.
    Ich hatte absolut keine Skrupel, ihn zu töten. Die Frage war nur: Hatte ich den Mut und die Mittel? Bei Barakel hatte ich bewiesen, dass ich geistig dazu in der Lage war, den Listen der Gefallenen standzuhalten, und im Kampf mit Rumiel hatte ich gezeigt, dass ich die Körperkraft besaß zu töten. Ich schickte ein Stoßgebet an Gott, er möge mir doch von beidem noch ein bisschen mehr geben. Denn sowohl Barakel als auch Rumiel waren harmlos im Vergleich zu Asael.
    Erneut formte sich die Lichtpeitsche in Asaels Hand, und während sie sich um meine Handgelenke schlang, begann er, mir einen Strom von Gedanken zu übertragen – über die Endzeit und wie wichtig es sei, dass ich ihm folgte. Der Teil von mir, der noch klar denken konnte, bekam Riesenangst. Wie sollte ich mich von Asael und seinen Fesseln aus Licht befreien, bevor er mir das letzte bisschen freien Willen raubte?
    Dann kam mir eine völlig wahnwitzige Idee.
    Statt zu versuchen, meine Hände von den Fesseln zu befreien, drückte ich das Seil tief in meine blutende Handfläche. Das Brennen war fast unerträglich, und ich hätte um ein Haar losgelassen, aber dann spürte ich, wie die Kraft des überirdischen Lichts – die Kraft aus Asaels Innerem – in meinen Körper strömte.
    Wer hatte behauptet, ein halber Engel könne niemals so stark sein wie ein ganzer?
    Durch Asaels geborgte Kraft gelang es mir mit Leichtigkeit, die Fesseln zu zerreißen. Einen Augenblick lang war Asael wie gelähmt. Ich konnte mir vorstellen, was ihm durch den Kopf schoss: Ein dummes Mädchen – Auserwählte hin oder her – hatte den Schöpfer der Kriege ausgetrickst?
    Ich flog senkrecht in die Höhe, direkt über der scharfen Felsnase des Vorsprungs. Asael kam mir nach – pfeilschnell und mit einem Hass in den Augen, bei dem mir angst und bange wurde. Ich wusste mit absoluter Gewissheit, dass er mich töten würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekam.
    Statt vor ihm zu fliehen, wozu mich jede Faser meines Wesens drängte, stürzte ich auf ihn zu. Mit meiner neugewonnenen Kraft packte ich seinen Arm und fuhr damit an der spitzen, messerscharfen Kante der Felszunge entlang.
    Asael war es nicht gewohnt, verletzt zu werden. Er wusste nur, wie es war, andere zu verletzen. Ich tauchte einen Finger in das Blut, das aus seiner Wunde floss, leckte ihn ab und stieß Asael gleich darauf ein zweites Mal auf die Felszunge, diesmal mit all meiner Kraft. In seinen Augen flackerte Unglauben auf, während schon das Leben aus seinem Körper wich. Der Stolz, auf den ich spekuliert hatte – der Stolz, von dem Rafe gesagt hatte, dass er die größte Charakterschwäche der Gefallenen sei –, war mir zu Hilfe gekommen.
    Diesmal nahm ich mir, anders als bei Rumiel, nicht die Zeit abzuwarten, ob er wirklich tot war. Ich musste Michael finden.

Vierundvierzig

    J etzt war noch ein Gefallener übrig. Ein Siegel. Und Michael.
    Würde ich rechtzeitig kommen, um Semjaza zu töten, das Öffnen des Siegels zu verhindern und Michael zu retten? Oder würde ich eine Wahl treffen müssen?
    Ich musste zurück in denselben dunklen Tunnel, der mich auf dem stillgelegten Sportplatz ausgespuckt hatte. Ich musste mir einen Weg zurück durch das unterirdische Labyrinth bahnen, für das mein an die Weite des Himmels gewöhnter Körper so wenig geeignet war. Wie sonst sollte ich Michael finden?
    Obwohl es mir bei dem Gedanken daran grauste, zurück unter die Erde zu müssen, fügte ich mich ins Unvermeidliche. Ich riss den Blick von Asaels Körper los, der unter mir aufgespießt auf dem Felsen hing, und flog durch die kalte Abendluft auf den Tunneleingang zu. Ich war erschöpft und hatte Schmerzen, aber glücklicherweise rauschte so viel Adrenalin durch meinen Körper, dass ich meine verletzte Hand, die zahllosen Blutergüsse und die Müdigkeit kaum spürte.
    An der Tunnelmündung wurde ich etwas langsamer, nur um sofort danach wieder Geschwindigkeit aufzunehmen. Gerade als sich der Tunnel zu verengen begann, sah ich Licht in der Ferne. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum helleren linken Tunnel, in den Semjaza mit Michael verschwunden war.
    Ich erreichte die Gabelung. Kurz nachdem ich in den
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