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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis
Autoren: Markus Heitz
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Prolog
    Kontinent Ulldart, Königreich Borasgotan, neue Hauptstadt Donbajarsk, Frühling im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)

    Da kommt sie, die Usurpatorin aus Tarpol.« Hariol, ein Mann von beinahe fünfzig Jahren, spähte durch den schmalen Spalt zwischen den fast geschlossenen Fensterläden. Unter ihm lag der glitzernde Repol, der in Donbajarsk nicht breiter als vier Speerlängen war und erst im Verlauf seiner Reise durch das Land an Breite und Mächtigkeit gewann, bis er zu einem gewaltigen Gewässer anschwoll. Der warme Wind wehte den Geruch von frischem Backwerk und zarten, knospenden Frühlingsblüten in den Raum; die Gedanken der Versammelten hingegen waren weitaus weniger lebensfroh: Sie kreisten ausschließlich um den Tod.
    Hariol sah die vier großen Prunkbarken flussaufwärts zur Anlegestelle am Großmarkt staken; auf den Brücken standen zahllose Bewohner und winkten Kabcara Norina zu. Er hob den rechten Arm und gab den hinter ihm wartenden fünf Männern und der Frau das erste Zeichen. Sie trugen allesamt leichte Lederharnische und an ihren Schultern das Wappen Borasgotans; auf den Köpfen saßen geschlossene, einfache Helme aus mattiertem Eisen, die sowohl als Schutz in einem möglichen Gefecht als auch dazu dienten, ihre Gesichter unkenntlich zu machen. Sie reichten sich die Hände, schworen der fremden Kabcara noch einmal Verderben.
    »Wir sind die Augen des Volkes«, besiegelte Pujlka, die einzige Kämpferin unter ihnen, ihre Worte.
    »Wir wachen über unser Land.«
    »Seht sie euch an, die Verräter«, murmelte Hariol hasserfüllt hinter seinem Visier. Seine Wut richtete sich gegen die jubelnden Menschen. »Man sollte sie ebenfalls umbringen. Wie schnell sie unsere Herrscherin Elenja vergessen haben.« Er ließ die Barken nicht aus den Augen. »Haltet euch bereit. Noch geschätzte elf Speerlängen, dann sind sie genau vor uns. Die Kabcara ist auf der zweiten Barke, ihr müsst nicht einmal weit springen, um auf das Boot zu gelangen.« Er zog sein Schwert. »Für die Freiheit unseres Landes!«, rief er, und seine Mitstreiter stimmten ein. Die Barken näherten sich langsam.
    Die Herrscherin aus Tarpol drehte sich um und wandte sich den Jubelnden am Ufer sowie denen zu, die aus den Fenstern heraus
    winkten, dann grüßte sie die Menschen auf den Brücken.
    Hariol gestand ihr zu, dass sie in dem schlichten dunkelbraunen Kleid gut aussah. Sie wirkte freundlich, die langen schwarzen Haare hatte sie hochgesteckt und mit goldenen Ranken geschmückt; es war das einzige Geschmeide an ihr.
    Die Usurpatorin gab sich bescheiden, doch Hariol wusste es besser. Auf den borasgotanischen Thron gehörte eine Borasgotanerin, und alle Lügen, die in den letzten Wochen über Elenja verbreitet worden waren, änderten an seiner Ansicht nichts.
    Hariol vermutete hinter den sich überschlagenden Ereignissen die Ränke aus Ulldarts Süden. Norina war eine Vertraute des dicken ilfaritischen Königs, der seine feisten Finger in zu vielen Töpfen hatte und sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen. Wie zum Beispiel die Belange Borasgotans. Hariols Heimat durfte nicht zu einer heimlichen Kolonie von Ufaris werden. Die Barken waren noch sieben Speerlängen von ihnen entfernt, »Gleich ist es so weit. Kommt zu mir«, sagte er angespannt und stellte den rechten Fuß auf den Schemel, von dem er sich abdrücken wollte, um zu springen. Er musterte noch einmal die jubelnde Menge. »Armselige Verräter«, murmelte er erneut, »Leere Versprechungen und ein hübsches Gesicht genügen, um euch zu täuschen.« Hariol schaute zur ersten Barke, und dabei streifte sein
    Blick das Haus gegenüber: Seine Fensterläden waren ebenfalls bis
    auf eine winzige Lücke zugezogen.
    »Wenigstens einer, der sie ebenso missachtet«, bemerkte er, versöhnter mit den Städtern. Dann glaubte er in der Dunkelheit des Raumes gegenüber etwas aufblitzen zu sehen, und im nächsten Augenblick erhielt er einen Schlag gegen die Stirn. Seine Gedanken erloschen, die Welt verschwand in Schwärze. Pujlka hörte den Einschlag, als der Pfeil mit einem metallischen Laut in den Helm fuhr, durch den Schädel jagte und aus Hariols Hinterkopf austrat. Das Geschoss besaß derart viel Wucht, dass es sich dem hinter Hariol stehenden Mann durchs Visier hindurch ins Gesicht bohrte. Es zertrümmerte Eisen und Knochen und perforierte sogar die Stirn eines dritten Mannes. Das zweite und dritte Opfer wurden durch den blutverschmierten Pfeil verbunden; gemeinsam
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