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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis
Autoren: Markus Heitz
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meiner Trauer beistehen könnt.«
    Torben wusste nicht, was er sagen sollte, und sah sie verwirrt an.
    »Bitte!« Livarla senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ihr könnt mir den Halt geben, den ich zu Hause nicht finde. Darum bitte ich Euch auch aus diesem Grund, an der Expedition teilzunehmen.«
    Torbens Stimme hatte sich ein weiteres Mal verabschiedet. Die kleine Rede rührte ihn, und er vernahm die gleiche Hilflosigkeit in Livarlas Worten, mit der er zu kämpfen hatte. Sie teilten intensive Gefühle für Varia: sie als kleine Schwester, er als liebender Gefährte. Vielleicht stimmte es, und sie konnten ihre Trauer gemeinsam besser bewältigen. »Ich«, sagte er rau und räusperte sich, nahm einen Schluck Tee, »ich möchte mir Bedenkzeit ausbedingen.«
    Sotinos nickte. »Aber mehr als einen Tag haben wir nicht, Kapitän. Sonst werden die Stürme zu gefährlich, und wir kommen nicht so rasch von Verbroog zurück in den Süden, wie es vorgesehen ist.«
    Er nahm seinen Dreispitz und stülpte ihn auf den Kopf, erhob sich. »Ich habe mir ein Quartier unten im Hafen genommen. Ihr findet mich im Rostigen Anker, vermutlich werde ich zusammen mit einigen alten Freunden ein Fass leeren. Es soll ja eine rogogardische Sitte sein, mit Kopfweh auf Fahrt zu gehen.« Bayant-Ohuu, Hotgol und Hivd, die sich schweigsam verhalten hatten, standen ebenfalls auf.
    »Ich werde die Nacht darüber schlafen, Commodore.« Als Livarla Anstalten machte, ihren Stuhl zu verlassen, legte Torben die Hand auf ihre Linke. »Nein, bleibt, bitte.« Es war mehr ein Reflex, und er zog seine Finger sofort zurück. »Ich möchte mit Euch über Eure Schwester sprechen.«
    Livarla lächelte glücklich und stimmte zu.
    Sotinos reichte seinem Freund die Hand. »Wir sehen uns morgen, Kapitän.« Er ging die Veranda hinab, Livarla sagte etwas zu Bayant-Ohuu, Hotgol und Hivd auf Tarvinisch, die ihm daraufhin folgten.
    Sie sah Torben in die Augen. »Wo möchtet Ihr anfangen?«
    Sotinos verließ den Rostigen Anker, ging zur Kaimauer und streckte sich ausgiebig. Es war kurz nach Sonnenaufgang, und letzte Nebelschleier hingen in den Mastspitzen, als wären sie zum Trocknen befestigt worden. Er war gespannt, wie sich Torben entschied.
    Hinter ihm traten Bayant-Ohuu, Hotgol und Hivd auf die Straße, sie wirkten verschlafen und sprachen leise auf Tarvinisch.
    »Guten Morgen«, grüßte er sie. »Es wird ein guter Tag, um ein neues Abenteuer zu beginnen, und ich hoffe sehr, dass wir dabei einen Helden an Bord haben werden.« Einer der Tarviner bedeutete ihm, leiser zu sprechen und tippte sich andeutend an den
    Kopf. Sotinos grinste. »Verstehe. Noch jemand, der die guten rogogardischen Traditionen pflegte. Aber mein Schädelsausen ist
    mit dem ersten Rührei verschwunden.« Er sah den Hang hinauf,
    wo sich Torbens Unterkunft befand. »Wo ist Livarla?« Bayant-Ohuu, Hotgol und Hivd zuckten mit den Achseln. »Dann werde ich unsere Dame mal aus den Federn werfen.« Sotinos marschierte zurück in die Herberge, stapfte zur Zimmertür und klopfte polternd an. »Aufstehen, Livarla. Wir werden Kapitän Rudgass den entscheidenden Besuch abstatten.« Es blieb still auf der anderen Seite der Tür.
    »Livarla? Hört Ihr mich?«
    »Ich höre dich, palestanischer Schreihals«, rief jemand müde aus einem anderen Zimmer. »Sei still, oder ich komme hinaus und bringe dich dazu, den Mund zu halten.«
    »Verzeihung«, rief Sotinos heiter zurück und öffnete mit dem nächsten Klopfen Livarlas Tür; das Bett war leer und unberührt, lediglich ihr Seesack stand darin. Unausgepackt. »Hoppla.« Er nahm sich das Gepäck und kehrte zu den Tarvinern zurück. »Kann mir das einer erklären?«, fragte er, den Seesack auf den Boden legend. Sie verneinten. »Es wird ihr doch nichts auf dem Nachhauseweg zugestoßen sein?«
    Sotinos eilte den Hang hinauf und achtete auf jede noch so kleine Seitengasse. Nirgends bemerkte er eine Spur von der jungen Frau.
    Als er in Sichtweite der Hütte kam, traute er seinen Augen kaum: Torben und Livarla saßen noch immer auf der Veranda, beide hatten sich Pelze umgelegt, und sie redeten noch immer!
    Er näherte sich ihnen und betrat das Holzpodest. »Es war eine lange Nacht, wie ich vermute.«
    »Es gab viel zu bereden, Commodore.« Torben lächelte Livarla an, dann stand er auf und umarmte den verdutzten Palestaner. Er hatte gerötete und geschwollene Augen, als wären die letzten Stunden nicht ohne Tränen verlaufen. »Ohne Euch hätte sie mich niemals
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