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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Autoren: Uwe Johsohn
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Sowjets. Die Sowjets hatten meinen Vater. Brüshaver hat Cresspahl nicht weggeholt von den Sowjets. Nicht versucht hat er es.
    Hast du so die Leute eingeteilt? Nach Freunden, nach Feinden? Sind Kinder so?
    Wie warst du als Kind mit dreizehn, Jakob?
    Neuerdings hatte das unbegreifliche Cresspahlkind es mit dem Schwarzhandel. Johnny Schlegel hatte noch zwei Sack Weizenmehl am Ziegeleiweg abladen können, als der Wagen von der Stadtwaage zurückkam, ganz nach Treu und Glauben, wenn auch wohl Kägebein auf dem Papenbrockspeicher der Roten Armee etwas mehr Schrumpfverlust anschreiben mußte. Oder sich. Oder gar keinem. Was auch immer aus diesen beiden Säcken geworden sein mochte auf dem Wege der Buchhaltung, in Wirklichkeit standen sie in der hinteren Vorratskammer, für etwa zwei Tage: dachte Jakob. Auf einmal verbot diese Gesine die Verwandlung des Weizens. Weil er zur Hälfte Hanna gehörte? die sollte ihren Teil am Ertrag nachgeschickt kriegen. Nein. Weil nur Gesine Verfügung über ihr Eigentum zustand? Das wollte er gern mit ihr beraten. Sie pfiff auf seine Beratung, sie wünschte das nicht verkauft. Er rechnete ihr vor, daß sie in diesen beiden Säcken 6000 Mark liegen hatte, aber verderbliche. Das waren 160 Zentner Brikett. Davon hatte sie einen Wintermantel, Nähgarn, Futter, zuverlässige Schneiderarbeit und immer noch ein Vermögen übrig. Er wußte jemand, der würde ein Paar Winterstiefel ihrer Größe, zwar angebraucht, abgeben für 560 Mark, für Weizenmehl aber um zehn Prozent billiger. Es war an einem Abend im Winter 1946, als er ihr die geschäftliche Verwertung ihres Ernteverdienstes ausdeutete, der Ofen war schon geheizt mit Kohlen aus Butter (vier Pfund je Zentner), in der Lampe brannte schon das Öl, das er für den Winter angeschafft hatte (eine Mandel Eier). Er stellte sich kaum eifrig an bei diesen Berechnungen, denn solche Transaktion würde ihn gehörig Zeit kosten, von den Wegen nicht zu reden; allerdings wollte er die gern drangeben als echte Miete in diesem Haus. Sogar war er sicher, daß er keinen belehrenden Ton gebraucht hatte, er wollte das mal hoffen; unverhofft sprang dies Kind auf, begreife das ein anderer, riß ihre Schulhefte an sich, als sollten sie ihr gleich mit körperlicher Gewalt geraubt werden, lief davon. Mit der knallenden Tür blieb Jakob ein Kopfschütteln seiner Mutter übrig, dessen verhohlener Spott jedoch galt ihm, dazu zwei Ausrufe Gesines, die erschreckten ihn. Es war nicht wegen der Ungerechtigkeit, nur weil sie ihm unfaßlich waren. Sind Kinder so?
    Jakob verstand es nicht. Am nächsten Morgen entschuldigte das Kind sich bei ihm. Kaute mit hohem Atem. Fragte: ob er es denn ehrlich meine. Das mit dem Verzeihen? das sei doch nichts gewesen. Nein. Das mit dem Plan für den Winter. Dazu stellt solch Kind sich dann mit dem Gesicht zum Fenster, läßt sich so widerstrebend heranziehen an den Zöpfen, daß der Ältere endlich losläßt und verspricht, auf eine würdige, deutlich zurückhaltende Art: Was du willst, Gesine.
    Vilami na vodje?
    Nein. Nicht mit der Gabel auf dem Wasser geschrieben. Wie du sagst.
    Das war am Sonntag vor den Landtagswahlen, so daß sie reichlich Zeit hatten für den Entwurf, nach dem der Weizen umzuwandeln war in Vorräte bis zum nächsten Frühjahr. Lange Zeit war Jakob unbehaglich in solcher Konferenz, wegen der Fügsamkeit dieser Gesine. Er bekam davon das Gefühl, als haue er sie übers Ohr. Sie hieß gut, was immer er anlegen wollte, ob Schuhsohlen, Schurwolle oder Kohlenanzünder; ab und an ein Protest wär ihm lieber gewesen. Um so mehr erschrak er über ihre Bedingung, die einzige, die er blind versprochen hatte: nicht nur die Warenliste galt als zwischen ihnen verabredet. Vielmehr sollte jeder Handelsweg, jeder Partner mit ihr beraten werden.
    Er hielt sie für neugierig, wie Kinder eben sind; er sagte mit Bedenken zu. Er versuchte etwas im Heimlichen; diese Gesine war imstande, zu einem Partner hinzugehen und zu fragen. Sie war die Tochter von Cresspahl, sie bekam Antwort, die mußte obendrein nur ausfallen wie eine letzte Bestätigung. Es ging nicht anders, er mußte ihr die Bewandtnisse des Herrn Krijgerstam erzählen. Danach bekam dieser gewandte Veteran der Baltischen Flotte von der Firma Abs & Cresspahl kaum noch Speck, für den er in seinem Rasno-Export jene Ölgemälde eintauschen wollte, mochte seinem Kunstverstand daran beliebig gelegen sein. Auch die Verbindung mit dem Großen Knoop wurde für eine Weile trocken gelegt,
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