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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman
Autoren: C.H.Beck
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freigelassen, dass er niemandem etwas über die Anwesenheit der Armee verriet. Die Schweine behielten die Soldaten, von Weitem sah der Mann über den Baumkronen Rauch aufsteigen und wusste, dass nun seine Speisekammer leer bleiben würde, im Gegensatz zu den Bäuchen der Soldaten. Er ging schnurstracks in die Kneipe, bald wusste es das ganze Dorf.
    Kurz darauf war im Dorfladen ein Soldat aufgetaucht, um Zigaretten zu kaufen, und zwar in solchen Mengen, dass wir von zwei Kompanien ausgehen mussten, die sich in der Nähe versteckt hielten. Das Einzige, was der neue rumänische Wirt herausfand, war, dass es nicht nuruns betraf, sondern alle im Banat. Dass in anderen Wäldchen und auf anderen Feldern ebenfalls Soldaten bereitstanden. Wofür genau, das wussten nur die Offiziere. Man rechnete mit einem baldigen Beginn der Aktion.
    Nach dem Abgang des Bürgermeisters verbrachten wir einen ereignislosen Tag, geprägt von unserem zur Gewohnheit gewordenen Schweigen und den üblichen Tätigkeiten, die ein Hof wie der unsere – oder Sarelos – erforderten. Vater strich sogar den Zaun in frischem Grün, immer wieder trat er ein paar Schritte zurück und begutachtete seine Arbeit. Doch keiner von uns konnte seine Aufregung tatsächlich verbergen.
    Am Abend aßen wir einige magere Maisbreireste, und als wir uns schlafen legen wollten, entstand auf der Gasse ein furchtbarer Lärm. Befehle wurden gebrüllt und Tore eingetreten. Die Hunde begannen alle auf einmal zu bellen, als wollten sie sich beeilen, eine Katastrophe anzukündigen, die sie nicht vorausgeahnt hatten. Erste Schreie waren zu hören, manche weit weg am Dorfrand, andere in der Nachbarschaft. Es dauerte nicht lange, und schwere Schritte und laute Stimmen waren auch vor unserem Hof zu hören.
    «Sind es wieder die Russen?», fragte ich.
    «Ich glaube, diesmal sind es nur Rumänen», antwortete Vater. Es wurde auch gegen unser Tor getreten, im Haus ging das Licht nicht an, Sarelo und seine Frau stellten sich tot, so wie wir. Schließlich wurde das Tor eingedrückt, und das dumpfe Geräusch der Soldatenstiefel war bis zu uns zu hören. Bevor Vater die Petroleumlampe anzündete, flüsterte er:
    «Versteck dich.»
    «Ich denke gar nicht dran. Einmal ist genug.»
    Die Schritte kamen näher, sie überquerten den Hof, die Soldaten brauchten gar nicht zu suchen, sie waren geübt darin zu finden. Diesmal wurde nicht mehr geklopft, sondern die Tür wie zuvor das Tor von zwei Soldaten eingedrückt. Sie traten zurück, und ein Offizier, niemand anderes als der Leutnant mit den Pässen, kam herein. Ihm folgte ein weiterer Mann, der sich im Türrahmen platzierte. Es war sein Fahrer, doch diesmal trug er ein Maschinengewehr auf der Schulter. Mit der einen Hand drückte er deren Lauf nach unten, mit der anderen rauchte er entspannt, als ob er gerade bei einem Fest erschienen wäre und sich nun nach weiblicher Unterhaltung umschaute.
    «Sie sind es», sagte Vater.
    «Ich weiß nicht, wovon Sie reden», sagte der Leutnant, setzte sich, holte seine Pistole aus dem Halfter und legte sie auf den Tisch. Dann öffnete er seinen Mantel und zog zwei Blätter aus der Innentasche. «Mein Name ist Bader, Leutnant des Geheimdienstes. Mein Kollege dort ist Major Ungureanu …»
    «Dann sind Sie einer von uns. Ein Deutscher», unterbrach ihn Vater.
    «Unterbrich mich nicht, alter Mann!», zischte der Leutnant. «Ich bin kein Deutscher, ich bin Kommunist. Wer von euch ist Jacob Obertin?»
    «Mit
c
oder mit
k
?», fragte ich.
    «Mit
c

    «Ich.»
    Er stand auf, rückte seinen Mantel zurecht und las vom ersten Blatt ab:
    «
Aufgrund des Beschlusses des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei werden all die deportiert, die die Sicherheit
des Landes gefährden und Volksfeinde im Sinne der Lehren des Sozialismus sind. Es sind dies Beamte und Offiziere der früheren Regierung, Angehörige anderer Staaten und Serben, die Titos Jugoslawien unterstützen könnten, ehemalige SS-Angehörige und Angehörige der deutschen Minderheit, genannt Schwaben, die mit Nazideutschland kooperiert haben, ehemalige Industrielle, Großgrundbesitzer, reiche Bauern und alle anderen, die die sozialistische Moral in unserem Land untergraben.
Jacob Obertin, Sie haben sich für die Deportation bereitzumachen.»
    «Ist das wegen der Sibiriengeschichte?», fragte ich.
    «Sie haben es selbst gehört. Ihre Sibiriengeschichte ist hier nicht wichtig. Sie werden mit vielen anderen Volksfeinden deportiert, Genosse.»
    Wieder
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