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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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Abfangmanöver
     
     
    1 | Alles sah tot und verlassen aus, so weit das Auge reichte, und auch die Tankstelle, an der sie angehalten hatten, wirkte, als hätte man sie vor langer Zeit aufgegeben.
    Christopher beobachtete ein Insekt, das sich durch den Sand schleppte. Es sah aus wie ein Skorpion, und es war unterwegs in die Wüste.
    »Ist hier überhaupt jemand?«, fragte er.
    Kyle war damit beschäftigt, sein Bargeld durchzuzählen. Er steckte seiner Schwester zwei Scheine zu; Christopher konnte nicht erkennen, was für welche. Diese Dollarscheine sahen in seinen Augen alle gleich aus. »Bringt auch eine Zeitung mit«, sagte Kyle. »Den Nevada Herald, wenn sie den haben. Sonst eine andere.«
    Christopher ließ sich tiefer in den Rücksitz sinken, der so weich war, dass einem irgendwann alles wehtat. »Es ist wahrscheinlich besser, ich bleibe im Wagen«, meinte er.
    Jetzt drehte sich Kyle zu ihm um. Eine wulstige Narbe zierte seine Stirn, verlief von der Mitte seiner rechten Augenbraue fast senkrecht nach oben. Wenn er sich ärgerte, färbte sie sich an den Rändern rötlich. So wie jetzt.
    »Blödsinn«, sagte er. »Ihr geht jetzt da beide rein, solange ich tanke, und du suchst dir was zum Essen und Trinken aus. Du wirst es brauchen, glaub mir. Es dauert noch verdammt lange, bis wir da sind.«
    Christopher wollte etwas sagen, aber Kyle unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. »Entspann dich, Chris, okay? Hier kennt dich niemand. Und selbst wenn, würde dich niemand verraten. Nicht hier.«
    »Ich hab nicht Angst, dass mich jemand verrät«, sagte Christopher.
    »Umso besser«, erwiderte Kyle und stieg aus, genauso wie Serenity. Zögernd öffnete Christopher die Tür auf seiner Seite und folgte ihr.
    Es tat gut, sich ein bisschen zu bewegen. Das auf jeden Fall.
    Der Boden bestand nur aus trockener, festgestampfter Erde. An den beiden Zapfsäulen war die meiste Farbe bereits abgeplatzt, von der Hitze und der Sonne vermutlich, aber das Metall darunter zeigte keine Spur von Rost: Dazu war es hier, mitten in der Wüste von Nevada, schlicht zu trocken.
    In einiger Entfernung stand der Mast einer Mobilfunkantenne. Aber Überwachungskameras waren keine zu sehen.
    Serenity stieß die Tür zum Drugstore auf, mit einer heftigeren Bewegung, als nötig gewesen wäre. Und sie wartete nicht auf ihn, ließ die Tür hinter sich einfach wieder zufallen, ohne sich darum zu kümmern, ob Christopher nachkam oder nicht.
    Drinnen war alles eng, vollgestopft und staubig. Jedes Mal wenn man die Tür öffnete, drang etwas von dem feinen Wüstensand herein, und offenbar machte sich niemand die Mühe, ihn wieder hinauszubefördern. Auch aufzuräumen, hielt niemand für nötig; die Regale reichten in dem winzigen Raum bis zur Decke, und in ihnen stapelten sich Chips, Süßigkeiten und Autozubehörteile aller Art. Christopher griff nach einer Tüte bunter Kaubonbons in Form von Dinosauriern. Aus der Nähe betrachtet wirkten die Saurier seltsam klebrig. Er drehte die Tüte um. Haltbar bis September 2008. Abgelaufen war da gar kein Ausdruck mehr.
    Angewidert legte er die Tüte zurück. Die Frau, die hinter der Kassentheke saß, würdigte sie keines Blickes. Sie verfolgte eine von ständigem, aufdringlich wirkendem Gelächter durchsetzte Show auf einem uralten kleinen Fernseher, und so lasch, wie sie dasaß, hätte Christopher jede Wette gehalten, dass sie bis eben einfach nur gedöst hatte. Es war fast Mittag, und die klapprige Klimaanlage kam gegen die Hitze kaum noch an. Er trat neben Serenity, die vor dem Kühlregal mit den Getränken und den Sandwiches stand, in einigermaßen angenehmer Kühle.
    »Man kann sich auch zu wichtig nehmen, weißt du?«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
    »Meinst du mich?«, fragte Christopher.
    Sie machte eine knappe, ärgerlich wirkende Handbewegung. »Ja, ich geb’s zu. Ich fand das zuerst ziemlich cool, dieses ›Die ganze Welt ist hinter mir her‹- Ding. Aber ehrlich gesagt, auf die Dauer nervt es.«
    Christopher blickte sich um. Vielleicht hatte sie ja recht. Das sah alles wirklich ziemlich aus wie der Arsch der Welt; man musste sich regelrecht wundern, dass es hier überhaupt elektrischen Strom gab. Was auch immer gerade an weltbewegenden Dingen geschehen mochte, an diesem Ort waren sie wahrscheinlich so weit davon entfernt wie nur irgend möglich.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Sie warf ihm einen versöhnlichen Blick aus ihren bernsteinfarbenen Augen zu. »Relax einfach. Wir sind bald da. Du
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