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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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tat, ohne ihr mehr Aufmerksamkeit zu widmen als … als irgendeinem Möbelstück!
    Ach, zum Teufel mit ihm. Er würde sich nie ändern.
    Christopher legte die Hände um den Becher, als müsse er sie daran wärmen, und sah sie an. Sah sie an, hielt ihren Blick fest, forschend, nachdenklich …
    Verletzlich.
    Eine Weile saßen sie so, schweigend, doch trotz all dem Schweigen, das zwischen ihnen schon geherrscht hatte, war dies etwas Neues. Auf geheimnisvolle Weise war es ein magischer Moment. Als seien auf einmal alle Menschen von der Welt verschwunden und nur sie beide übrig geblieben.
    »Als sie mir damals den Chip verpasst haben«, begann Christopher schließlich leise, »gab es einen Vorfall, von dem ich bisher niemandem erzählt habe. Keine große Sache, wenn man darüber spricht, aber für mich … für mich war es trotzdem eine große Sache. Und deswegen habe ich es für mich behalten. Weil ich Angst hatte, dass sich, wenn ich drüber rede, herausstellen könnte, dass es gar nichts zu bedeuten hatte.«
    Serenity betrachtete ihn schweigend. Sie wusste nicht, worauf er hinauswollte, aber sie spürte, dass sie ihn nicht unterbrechen durfte.
    »Wenn man einen Chip implantiert«, fuhr er fort, »dann setzt man ihn erst im letzten Moment in den Injektor ein. Und zwar, weil er von einer bioaktiven Substanz umhüllt ist – eine Art dünner Glibber –, die dafür sorgt, dass sich nach dem Einsetzen so schnell wie möglich Verbindungen zwischen den Interface-Anschlüssen und den Nervenbahnen bilden. Diese Substanz darf nicht austrocknen, sonst funktioniert sie nicht mehr.«
    »Verstehe«, sagte Serenity, obwohl sie eigentlich nichts verstand. Aber das kam vielleicht noch.
    »Bei mir war es mein Dad, der den Chip in den Injektor eingesetzt hat. Eine Frau hat mir die lokale Betäubung verpasst, ein Mann, der vor seinem Upgrade Hals-Nasen-Ohren-Arzt war, hat den Injektor geführt, aber mein Dad hatte den Job, den Chip rauszuholen und einzusetzen.« Christophers Stimme war tonlos geworden. Sein Blick wanderte davon, über das schäumende Wasser des Flusses hinweg, in den Wald auf der anderen Seite, in die Vergangenheit. »Ich sehe das noch vor mir, als wäre es gestern passiert. Wie seine Finger nach dem Chip in der Mitte greifen, nach dem, der in der Halterung hängt. Wie er plötzlich anhält. Wie seine Fingerspitzen zittern, als müsste er sich unglaublich anstrengen … und wie seine Hand dann zur Seite zuckt und einen anderen Chip herausholt. Einen, der halb versteckt an der Seite gelegen hat. Einen Chip mit einer Markierung.«
    Serenity atmete überrascht ein. »Eine Markierung?«
    »Ein winziger goldfarbener Kratzer. Als hätte sich jemand mit einem spitzen Gegenstand daran zu schaffen gemacht.« Christopher sah sie eindringlich an. »Mein Chip ist bekanntlich defekt – und ich glaube, dass das kein Zufall ist.«
    »Du denkst, dass dein Vater …?«
    Er nickte. »Und direkt vor meinen Augen, verstehst du? Er hat das Etui so gehalten, dass ich genau sehen konnte, was passiert, obwohl mein Kopf schon in der Halterung festgeklemmt war. Und ich sage mir seitdem, dass er das getan hat, um mir ein Zeichen zu geben. Um mir zu zeigen, dass er noch nicht ganz in der Kohärenz aufgegangen ist, dass noch ein bisschen von ihm selber da ist …«
    Serenity schwindelte, als sie begriff. »Deswegen glaubst du, dass dein Vater wieder zu sich kommen wird!«
    Er nickte müde und wirkte dabei so zerbrechlich, dass sie insgeheim darum betete, er möge recht behalten.
    »Ich glaube es auch«, erklärte sie, und es war nur zur Hälfte um seinetwillen. Sie seufzte. »Ich wüsste bloß gern, wie es dann weitergehen soll.«
    »Das ist die große Frage, ja«, gab Christopher zu. Er sah hinüber zu den Zelten und Wohnwagen, die zwischen den Bäumen kaum auszumachen waren. »Ich schätze, das hängt von deinem Vater und den anderen ab.«
    »Sie sind enttäuscht, dass ihr nicht mehr erreicht habt.«
    Christopher gab ein leises Geräusch von sich, als habe er Schmerzen. »Was habt ihr erwartet? Dass wir die Kohärenz mit einem einzigen Schlag ausschalten? Wie in einem Hollywoodfilm, wo nach spätestens zweieinhalb Stunden der Gegner besiegt und alles wieder gut ist?« Er schüttelte entschieden den Kopf, und in diesem Moment, in dem seltsamen Licht, das durch die Wipfel flirrte und im Fluss reflektiert wurde, sah er aus wie ein Unheilsbote. »Nein. Wenn wir weiter gegen die Kohärenz kämpfen, wird das ein Krieg. Ein Krieg, in dem wir ganz
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