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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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einer Luftmatratze neben ihm.
    Serenity brachte ihm ab und zu etwas zu essen, obwohl Christopher die Sachen kaum anrührte. Sie versuchte auch, mit ihm zu reden, aber er antwortete bestenfalls einsilbig, wenn überhaupt. Meistens nickte er nur oder schüttelte kurz den Kopf oder machte nur »Mmh«, und da blieb es ihr dann selber überlassen zu entscheiden, was er damit meinen mochte.
    Die Stimmung im Camp wurde zunehmend gedrückter. Die Nachricht, dass man der Kohärenz in San Francisco tatsächlich eine Niederlage hatte zufügen können, hatte zunächst wilden Triumph ausgelöst, doch nun machte sich Frustration breit.
    War alles umsonst gewesen? Okay, sie hatten die Kohärenz nicht so entscheidend geschlagen, wie sie gehofft hatten – aber sollte ihnen nicht einmal dieser kleine Sieg vergönnt sein, einen einzigen Menschen aus ihren Klauen befreit zu haben?
    Es war schrecklich, Christopher dasitzen zu sehen, reglos wie eine Statue, bleich im Gesicht. Serenity kam es so vor, als würde er seinem Vater mit jeder Stunde, die verstrich, ähnlicher. Als stünde er selber dicht davor, ins Koma zu fallen.
    »Wir wissen nichts darüber, wie sich Gehirne verändern, wenn sie lange im Verbund der Kohärenz funktionieren«, erklärte Dr. Connery, als sie beim Mittagessen zusammensaßen. »Das ist für die Neurologie völliges Neuland. Im besten Fall braucht James einfach nur Zeit. Vielleicht müssen sich seine Neuronen nur wieder rekonfigurieren, und wenn das abgeschlossen ist, wacht er plötzlich auf und ist wieder ganz der Alte. So weit hergeholt das im Augenblick klingen mag, grundsätzlich möglich ist es – das menschliche Gehirn ist ein unglaublich anpassungsfähiges Gebilde.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Dad. »Wenn das schon der beste Fall ist – was ist dann der schlechteste?«
    Serenity entging nicht, wie Dr. Connerys Augen in diesem Moment flackerten; vielleicht dachte er gerade an seine Schwester. »Es kann genauso gut sein, dass seine Eigenständigkeit – alles, was ihn als Person ausgemacht hat – durch die lange Zugehörigkeit zur Kohärenz einfach erloschen ist. Sozusagen überschrieben, so, wie man eine Festplatte mit neuen Daten überschreibt. Da bleibt von den alten Daten auch nichts mehr übrig.«
    Ein langer Moment des Schweigens. Jeder stocherte in seinem Teller. So richtig Appetit hatte niemand.
    »Es könnte sogar sein«, meinte Doktor Lundkvist düster, »dass am Ende nur eine Möglichkeit bleibt, Christophers Vater zu retten. Nämlich die, ihn der Kohärenz zurückzugeben.«

 
    91 | Am nächsten Morgen, Serenity war gerade mit dem Frühstückstablett bei Christopher und seinem Vater im Zelt, kam Neal Lundkvist hereingestapft und verkündete: »So, ihr Hübschen, Zeit, dass ihr ein bisschen an die frische Luft geht. Ich muss den Patienten untersuchen, da kann ich euch nicht brauchen.«
    »Aber ich -«, begann Christopher.
    »Auch du, junger Mann«, unterbrach der Arzt ihn und stellte seine lederne Tasche gebieterisch auf dem Bett ab. »Ganz besonders du.« Er nickte Serenity zu. »Du begleitest ihn am besten und passt auf, dass er nicht in den Fluss fällt!«
    Christopher rührte sich erst nicht. Schließlich zog Serenity ihn am Ärmel. Er blickte sie verwundert an, dann schien er endlich zu begreifen. Langsam, wie ein Schlafwandler, stand er auf, verließ das Zelt. Serenity schnappte sich das Frühstück und folgte ihm.
    Christopher wollte nicht zu den anderen, also suchten sie einen ruhigen Platz am Fluss und einen Stein, auf dem man ein Tablett abstellen konnte, ohne den Tee zu verschütten.
    Lag es an der frischen Luft oder daran, dass Christopher hier seinen bewusstlosen Vater nicht vor Augen hatte? Auf jeden Fall langte er endlich kräftig zu, zum ersten Mal seit Tagen.
    Nach dem zweiten Brot sagte er: »Ich weiß, was die Ärzte denken. Sie denken, dass die Kohärenz nichts von meinem Vater übrig gelassen hat.«
    Serenity schluckte unbehaglich. »Es sieht schon so aus, das musst du zugeben.«
    Christopher warf ihr einen kurzen, prüfenden Blick zu, nahm dann einen großen Schluck Tee und versank ins Grübeln.
    »Oder?«, fragte Serenity nach einer Weile.
    Hätte sie das nicht sagen sollen? Sie überlegte, kam aber zu dem Schluss, dass es sein Problem war, falls er die Wahrheit nicht vertragen konnte. Und für sie sah es nun mal so aus.
    Und außerdem war sie, verdammt noch mal, enttäuscht. Enttäuscht darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit er alles hinnahm, was sie für ihn
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