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... und dann bist du tot

... und dann bist du tot

Titel: ... und dann bist du tot
Autoren: Hilary Norman
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Prolog
    Sonntag, 3. Januar
    E s war einer dieser besonders schönen Wintertage, die Kinderherzen höher schlagen lassen. Am Tag zuvor war in Boston Schnee gefallen, aber die Hauptstraßen waren größtenteils geräumt und die meisten Bürgersteige gestreut worden. Der Stadtpark sah aus wie eine Weihnachtskarte aus der guten alten Zeit. Es war kein Boot in Sicht, doch der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien, die Zweige der Bäume waren mit Schnee bedeckt und alle Äste der Sträucher malerisch mit Reif überzogen. Weite Flächen der verschneiten, funkelnden Landschaft lagen in völliger Unberührtheit da.
    Dieser Januarmorgen bescherte Jack Long, der das Gefühl des Wohlbehagens neu entdeckt hatte, ein weiteres Glücksgefühl. Jack hatte rotblondes Haar, war Anfang vierzig, schlank und ausgesprochen attraktiv. Seit Jahren hatte er sich nicht so wohl gefühlt. Mit jedem Augenblick dieser ungeplanten, erzwungenen Auszeit fühlte er sich sogar noch besser, kräftiger und stärker, und er wurde immer zuversichtlicher.
    Er hatte den Schnee mit den Händen von der Bank gefegt. Nun saß er in der Nähe des Sees und schaute einer alten Dame zu, die mit einem Spazierstock kleine Brotstücke an die Enten fütterte. Die Sonne schien so warm, dass er seinen Anorak ausgezogen hatte, unter dem er einen dicken, weißen Rollkragenpullover trug, der ihn behaglich wärmte.
    Solange seine Hände und Füße warm waren, hatte Jack die Kälte nicht gespürt. Heute ging es ihm ausgesprochen gut. Sein Atem war ruhig und hinterließ kleine Wölkchen in der kalten Luft.
    Der junge Mann schaute sich um, nahm alles in sich auf, schloss dann die Augen und gab sich dem Sonnenschein, der sauberen Luft, dem Zwitschern der Vögel und dem gedämpften Verkehrslärm hin.
    Als es geschah, war er fast eingeschlafen. Er spürte nichts, denn es ging alles viel zu schnell. Eben lebte Jack noch, ein junger Mann, der alles hatte, was man zum Leben braucht. Und eine Minute später war er tot.
    Rose O’Connell war achtundsiebzig Jahre alt, und ihre Arthritis, die ihr in den letzten Monaten ihre frühere Behändigkeit geraubt hatte, machte sie fast verrückt. Sie sah es genau in dem Moment geschehen, als ihre Tüte mit den Brotstücken leer war und sie sich von ihrem Platz am Wasser abwandte. Ein plötzlicher Ruck warf den Oberkörper des jungen Mannes nach vorn. Es erinnerte Rose an die ruckartigen Bewegungen der Patienten bei der Elektroschocktherapie in dem Krankenhaus, in dem sie früher einmal gearbeitet hatte.
    Einen Moment blieb sie stehen, stützte sich auf ihren Stock und schaute mit aufmerksamem, verwundertem Blick auf den Mann. Er saß jetzt vollkommen ruhig da und fiel dann wieder zurück gegen die Lehne der Bank. Rose O’Connell vermutete zuerst, dass er schlief, aber seine Hände lagen so schlaff auf seinem Schoß, und sein Kopf mit dem rotblonden Haar hing so seltsam herunter, dass Rose diesen Gedanken verwarf.
    Sie humpelte entschlossener, bewegte sich aber langsam und vorsichtig, bis sie nur noch etwa einen Meter von ihm entfernt war. Die Finger der rechten Hand umklammerten den Griff ihres Spazierstockes, als sie auf ihn hinunterschaute. Sie hatte einst als Krankenschwester gearbeitet und viel Blut fließen sehen. Oftmals waren die Verletzungen durch Gewalteinwirkung herbeigeführt worden, und sie wusste, dass sie nicht ohnmächtig werden würde.
    Das Blut des Mannes sickerte langsam, aber unaufhörlich, floss wie eine erblühende, sich immer weiter entfaltende rote Rose über seinen weißen Pullover und sickerte über die Latten der Holzbank hinunter auf den weißen Schnee.
    Es hatte nichts mit dem Blut zu tun, dass Rose nun schrie. Es war etwas ganz anderes, etwas, was sie in all den Jahren, da sie als Krankenschwester - ob im Operationssaal oder in der Notaufnahme - tätig gewesen war, noch nie gesehen hatte.
    Es stieg in einem schwarzen Wirbel aus einem Loch in seinem Brustkasten in die Luft.
    Rauch.

1. Kapitel
    Montag, 4. Januar
    E r war Polizist und sie Ballettlehrerin. Joseph Duval war achtunddreißig Jahre alt und lebte mit seiner Frau Jess und ihrer neunjährigen Tochter Sal aus erster Ehe in Chicago, Illinois. Helene Duval, seine Schwester, die alle nur Lally nannten, war dreiundzwanzig Jahre alt. Sie lebte mit Hugo Barzinsky, ihrem Untermieter, besten Freund und Geschäftspartner von Hugos Cafe und ihrer Katze in West Stockbridge, Massachusetts. Joe wusste schon im Alter von zehn Jahren, dass er später von zu Hause
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