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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman
Autoren: C.H.Beck
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sich davon noch retten ließ. Sie packten ihre Geräte und Werkzeuge, ihren Proviant auf die Karren und marschierten los.
    Von allen unbemerkt, erschien Jakob auf der schmalen Kiesstraße, die in einiger Entfernung am Dorf vorbeiführte und Temeschwar mit der ungarischen Grenze verband.Es war ein heißer Tag gewesen, an dem die Kleider am Körper klebten und der Staub in die Augen und die Nase eindrang. Auch Jakob hatte gesehen, dass der Boden in ein grellgelbes Licht getaucht war, das schnell matter wurde, bis es sich in Grau verwandelte. Er blieb stehen, hob den Kopf, schob seine speckige, unförmige Mütze aus dem Gesicht und schaute zum Himmel hoch. Er atmete kräftig ein, es roch nach Regen.
    Die Wolken waren kaum noch einen Kilometer entfernt, der Wind wurde stärker und schüttelte heftig die wenigen Maulbeerbäume und Pappeln, welche die Straße säumten. Ganze Schwärme von Krähen kreisten lärmend und unruhig hoch über ihm, dann flogen sie auf die Stadt zu. Sie würden auf leer stehendem Fabrikgelände und in Parks, in Höfen und am Ufer des Bega-Kanals niedergehen und dort Schutz suchen.
    Jakob sah in der Ferne die letzten Bauern zwischen den Häusern verschwinden. Er zog seine Schuhe aus, band sie an den Schnürsenkeln zusammen und schwang sie über die Schulter. Es gab keine Zeit zu verlieren, der Sturm war angekommen, der Horizont hatte sich auf ein paar hundert Meter verengt. Er sprang ins Feld und begann zu laufen.
    Dass es eine schlechte Idee war, wusste er, obwohl Gott allen Menschen, die vom Blitz getroffen wurden, die Sünden tilgte. Daran glaubten die Rumänen, und er hatte lange genug unter ihnen gelebt, um das selbst für möglich zu halten. Als er auf halbem Weg zu den ersten Höfen war, regnete es bereits heftig, und der Wind stemmte sich gegen ihn, als ob er ihn aufhalten wollte. Aber der Wind hatte schlechtere Karten, Jakob ließ sich höchstens kurz aus dem Tritt bringen.
    Doch manchmal schlugen die Böen ihm so wild ins Gesicht, dass er drei, vier Schritte vor- und ebenso viele zurückging. Da war er, ein großer Mann mit zerzausten Haaren, mit dem die Natur spielte oder die Teufel, die ihn hochheben und aus Wut darüber, dass Gott
sie
und nicht die Menschen jagte, auf die Erde schleudern würden.
    Das Einzige, was ihm der Sturm rauben konnte, war die Mütze. Sie wurde über das Feld gerollt, in die Luft geweht und blieb in einer Hecke hängen. Auch die Jacke, in deren Tasche der Zeitungsartikel steckte, der ihn hierhergebracht hatte, blähte sich auf wie ein Segel und zog ihn nach hinten. Doch Jakob war zäh, daran sollte es nicht liegen. Er war nur ein paar Schritte von einem Stall entfernt, als etwas dicht an ihm vorbeiflog, ein Stück Schornstein oder Abflussrohr. Mit Mühe öffnete er eine schmale Tür auf der Rückseite des Stalls, schob sich hindurch und ließ sich auf das Heu fallen.
    Die Tiere nahmen es hin. In der Nähe der warmen, zuckenden Körper der Kühe und Pferde fühlte Jakob sich wohl. Der Geruch von Dung und Heu, Dreck und Tierfellen hatte ihn immer schon beruhigt. Im Rhythmus der Tiere leben, sie trocknen, bürsten und zudecken, ihre Hufe einsalben und näher an sie heranrücken, wenn es im Herbst kühler wurde. Jakob kroch vorsichtig an eine der liegenden Kühe heran. Er streichelte sie, um sie zu beruhigen, griff nach einer Zitze und trank gierig. Die Kuh ließ es sich gefallen, für sie war er nur eine andere Art Kalb.
    Er legte sich hin, schloss die Augen, aber nach kurzer Zeit riss er sie wieder auf. Er suchte hektisch in den Taschen nach der goldenen Uhr, und als er sie endlich in der Hand hielt, lächelte er zufrieden. Dann schlief er ein, indie Geräusche des niederprasselnden Regens, des Donners und des Windes gehüllt. Es war inzwischen dunkel geworden, durch die Rillen und die Spalten leuchteten die Blitze den schlafenden Menschen und die lauschenden Tiere aus.
    Bis dann, kaum eine Viertelstunde später, ein anderer Mann mit einem Gewehr in der Hand das große Vordertor aufriss und im Licht der Blitze versuchte, den Fremden ausfindig zu machen. Als er ihn entdeckte, schritt er auf ihn zu und rammte ihm den Gewehrkolben in den Bauch. Jakob sprang auf, sein ganzer Körper wirkte wie ein Panzer.
    «Ich habe Sie für einen Pferdedieb gehalten. Manche rechnen sich bei solchem Wetter bessere Chancen aus. Aber noch kein Pferdedieb hat sich schlafen gelegt. Sind Sie Schwabe oder Rumäne?», fragte der Mann.
    «Schwabe», antwortete Jakob.
    Alex Neper drehte sich
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