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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman
Autoren: C.H.Beck
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seinem eigenen Gewehr erschossen worden?
    «Wenn Sie entschuldigen», sagte Neper und versuchte aufzustehen. Wenn er überhaupt eine Chance habenwürde, dann stehend. Doch der Fremde zog sich nicht zurück, sodass dem Apotheker nichts anderes übrig blieb, als sitzen zu bleiben.
    «Ich entschuldige gar nichts. Ich habe deinen Hof bewacht, du schuldest mir Essen.»
    «Ich habe Sie nicht darum gebeten.» Der Apotheker wunderte sich über seinen Mut. Der mächtige Körper des anderen war nur eine Handbreit von Neper entfernt und stand da wie eine Wand.
    «Erbeten oder nicht, die Arbeit ist erledigt worden, während du bei irgendwem Feuer gelöscht hast. Und jetzt will ich bezahlt werden.»
    Ein letztes Mal nahm sich der Neper vor, tapfer zu sein. «Drohen Sie mir?» Er sah, wie sich die Hände des anderen, die auf seiner Augenhöhe waren, zu Fäusten ballten, sie verharrten so einen Moment lang, während die Adern auf seinen Unterarmen anschwollen. Im Spalt, den ihm Jakobs Körper übrig ließ, konnte er sich nicht bewegen und sich kaum verteidigen.
    Dann geschah etwas, womit Neper nicht gerechnet hatte. Der Fremde gab nach, seine Arme und Hände entspannten sich, er trat zurück und hängte die Jacke über eine Stuhllehne. «Du bist ja nackt, und unsereins platzt einfach so rein.» Weder seine Haltung noch seine Stimme verrieten die Anspannung von eben. Jetzt wirkte er wie ein Nachbar, der einen kurzen Besuch abstatten wollte und, ohne anzuklopfen, eingetreten war.
    Der Apotheker zog sich hastig an, um durch die Kleidung einen Schutz gegen den Fremden zu haben, der plötzlich verlegen wirkte. In kurzer Zeit hatte sich vor seinen Augen eine Verwandlung vollzogen, die er sich nicht erklären konnte. Aber angezogen und gewaschen undvor allem im Stehen war er wieder der Herr im Haus und der andere ein Bittsteller.
    Jakob ging in die Küche, und Neper folgte ihm aufgeregt, denn dort lag auch das Gewehr. Er fand Jakob friedlich am Tisch sitzend vor, wie er sich einen Brotlaib an die Brust drückte und ihn mit dem Messer durchschnitt. Er riss ein Stück vom Teig heraus und tunkte es in die Maisbreireste der letzten Nacht. Damit stopfte er sich den Mund voll. Dann folgten einige dicke Wurstscheiben. «Da ist doch alles, was man braucht. Warum hast du es nicht früher gesagt, Bruder? Aber setz dich doch hin, iss mit. Ich bin glücklich, hier zu sein.»
    Schon wieder war alles verkehrt, dieser Mann bat ihn an seinem eigenen Tisch zu Tisch. Außer Gefahr und leicht amüsiert, setzte er sich hin und nahm das Brot an, das der andere ihm hinhielt. Er gab seinem Hunger nach, denn das nächtliche Schuften hatte Kraft gekostet.
    «Eines habe ich gelernt. Man soll immer essen, als ob es die Henkersmahlzeit wäre», fügte Jakob hinzu. Er schmatzte genüsslich, sein Blick fiel auf das Gesicht des Apothekers, und er begann zu lachen. «Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als ob du dem Teufel begegnet wärst. Keine Angst, du bist ja bei dir zu Hause.» Es wurde still, nun schmatzte auch Neper und stieß wiederholt auf, weil er alles gierig runterschlang.
    «Wie heißen Sie?», fragte Neper nach einer Weile.
    «Jakob.»
    «Jakob wie?»
    «Einfach Jakob.»
    «Jeder hat einen Nachnamen.»
    «Ich nicht. Jakob muss genügen.»
    «Aber …»
    Der Fremde schlug mit der Faust auf den Tisch, die andere Hand legte er flach daneben. Sein Blick wurde wieder stechend und kalt. «Du kannst fragen, solange du willst. Es wird keine andere Antwort geben.» Und wieder setzte die Verwandlung ein, er lehnte sich zurück, wirkte plötzlich satt und zufrieden und wischte den Tellerrand mit dem Brot ab. Als ob er sich an etwas Wichtiges erinnert hätte, sprang Jakob auf, holte seine Jacke und kramte eine Zeitungsseite heraus, faltete sie auseinander, legte sie vor den Apotheker und glättete sie.
    «Kennst du diese Frau?» Der Apotheker schaute kurz hin, dann brach er in Lachen aus. «Kennst du sie?», fragte Jakob erneut mit Nachdruck.
    «Ob ich sie kenne? Das ist Elsa Obertin. Jeder kennt sie, von hier bis Temeschwar und weiter. Wir nennen sie
die Amerikanerin
. Wenn Sie gestern Abend mitgekommen wären, hätten Sie sie kennengelernt. Ihr Hof ist nämlich abgebrannt.»
    Jakob zuckte zusammen. «Ihr Hof? Abgebrannt?», fragte er.
    «Wir haben versucht, so viel wie möglich zu retten, aber wir sind zu wenige gewesen. Dabei ist Helfen bei uns Ehrensache. Aber man mag sie nicht, seit sie aus Amerika zurück ist. Man erzählt sich so mancherlei. Sind Sie
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