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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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seien, sehr viel mehr Beachtung schenkten als früher. Eine Reihe von tragischen Flugzeugabstürzen in den letzten Monaten hatte zu einer Art kollektiver Flugangst geführt; im Flughafenbereich war der Absatz von Tranquilizern und Alkohol dramatisch in die Flöhe geschnellt. Doch zumindest zwei Personen an Bord lauschten den Erklärungen der Stewardessen nur mit halbem Ohr — wenn überhaupt. Für die eine war das Einchecken einem Alptraum gleichgekommen, und ihr wurde erst nachträglich bewußt, daß ihre Furcht unnötig gewesen war. Die Meldung am Abflugschalter, das Abgeben des Gepäcks und das Vorzeigen des Passes — es war alles wider Erwarten glatt über die Bühne gegangen. Die zweite unaufmerksame Person unter den Passagieren hatte ebenfalls in den letzten Stunden einige Angst ausgestanden; doch jetzt allmählich begann der Mann, sich zu entspannen. Während er von seinem Platz am Fenster wie beiläufig auf die nasse Rollbahn hinunterblickte, faßte er mit der Linken in seine Anoraktasche, zog verstohlen eine Halbliterflasche Cognac hervor und versuchte, sie so unauffällig wie möglich aufzuschrauben. Seine Sorge, eventuell Anstoß zu erregen, war jedoch völlig überflüssig. Die anderen Passagiere folgten noch immer wie gebannt den Ausführungen der beiden Stewardessen, und niemand merkte, wie er sich zweimal hintereinander den mitgebrachten Plastikbecher füllte. Gleich darauf fühlte er sich besser! Es war verdammt knapp gewesen, aber die Hauptsache war, er hatte es geschafft! Über ihm leuchtete eine rote Schrift auf und bedeutete den Passagieren, ihre Gurte anzulegen und das Rauchen einstweilen einzustellen. Der Rumpf des Flugzeugs begann zu vibrieren, und die Stewardessen nahmen, mit dem Rücken zum Cockpit, vorn in der Maschine Platz und lächelten den Passagieren beruhigend zu. Die Boeing rollte in einer Neunzig-Grad-Kurve zum Startplatz, wo sie zwei, drei Minuten stand und, nicht unähnlich einem Weitspringer vor dem Anlauf, Kraft sammelte, ehe sie mit sich rapide steigernder Geschwindigkeit die Startbahn hinunterjagen würde. Der Mann am Fenster wußte, daß er gleich in Sicherheit sein würde — oder doch fast. Wie so viele Straftäter gab er sich der Illusion hin, daß zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich kein Auslieferungsabkommen bestehe. Wie sonst war es zu erklären, daß man immer wieder von Bankräubern, Rauschgifthändlern und Betrügern las, die sich seit Jahren, von der spanischen Polizei völlig unbehelligt, am Strand der Costa del Sol aalten. Die Maschine erbebte unter einer neuen Zufuhr von Energie.
    Doch plötzlich ließ das Heulen der Triebwerke nach.
    Dann erstarb es ganz.
    Die Kabinentür wurde geöffnet, und zwei Flughafenpolizisten betraten die Maschine.
    Der Mann am Fenster sah die beiden Männer auf sich zukommen, doch er dachte nicht an Flucht. Wohin hätte er sich auch wenden sollen?

    Den Verhafteten zwischen sich, verließen die Beamten sofort wieder die Maschine, so daß die Boeing mit nur fünf Minuten Verspätung in Richtung Spanien abhob. Kurz darauf wurde den Passagieren gestattet, die Gurte zu lösen — man war sicher in der Luft. Sechs Reihen hinter dem nunmehr freien Fensterplatz zündete sich eine Frau eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Sie wirkte wie befreit.

Kapitel Dreiundvierzig

MITTWOCH, 8. JANUAR

    Keine Maske verbirgt die Lüge besser als die Wahrheit,
    Sich genau wie nackt zu verhalten, ist die beste aller Verkleidungen.
    William Congreve

    Morse saß im Büro von Superintendent Bell in der St. Aldate’s Street und wartete auf die Rückkehr von Lewis, der abgestellt war, die Aussage des Mannes aus Rose Hill zu Protokoll zu nehmen. Da Lewis nicht stenografieren konnte, sondern alles in seiner etwas umständlichen Handschrift zu Papier brachte, konnte das dauern.
    «Verdammt clever», wiederholte Bell nun schon zum drittenmal.
    Morse nickte nur. Er hatte nichts gegen den Superintendent — es gab Schlimmere, aber er wünschte trotzdem, Lewis möge sich etwas beeilen.
    «Wirklich gute Arbeit», begann Bell aufs neue , «der Chief Constable wird sich freuen.»
    «Vielleicht bekomme ich dann ja in absehbarer Zeit noch die zwei Tage Urlaub, die mir zustehen», sagte Morse grämlich.
    «Wir sind Ihnen wirklich sehr dankbar», sagte Bell. «Ich hoffe, Sie wissen das.»
    «Doch, ja», sagte Morse; er meinte, was er sagte.

    Um Viertel nach eins kam Lewis herein und präsentierte Morse mit strahlendem Lächeln die Aussage. Sie war vier
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