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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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hatten sich doch im Laufe der Jahre in der Nachbarschaft oberflächliche Bekanntschaften ergeben, vor allem mit den Frauen, die tagtäglich mit schweren Einkaufstaschen beladen oder den Kinderwagen schiebend an seinem ordentlichen kleinen Vorgarten vorbeikamen. Seine Beerdigung nun war auf einen Samstag angesetzt, und zwei der Frauen hatten beschlossen hinzugehen. Eine der beiden war Margaret Bowman.
    «Wie sehe ich aus?» fragte sie.
    «Gut», sagte er, ohne von der Rennsportseite aufzublicken. Wozu auch, es würde schon stimmen: Sie sah einfach immer gut aus. Hochgewachsen und mit sicherem Instinkt für das, was ihr stand, wirkte sie stets elegant, egal, ob sie zu einem Abendessen ging, zu einer Party — oder eben an einer Beerdigung.
    «Du hast ja gar nicht hergesehen!»
    Ergeben blickte er hoch und nickte vage, während er flüchtig ihr schwarzes Komplet musterte. Sie sah tatsächlich gut aus. «Gut», wiederholte er, «du siehst gut aus.» Was sollte er sonst sagen.
    Mit plötzlicher, etwas hektischer Fröhlichkeit vollführte sie auf den Spitzen ihrer schwarzen Pumps eine kokette kleine Drehung, um ihm ihre Attraktivität überdeutlich vor Augen zu fuhren. Sie wußte, daß sie noch immer anziehend wirkte. Zwar hatte sie seit jenem enttäuschenden Tag, als sie sich, ein fast mager zu nennendes Mädchen von Anfang Zwanzig, vergeblich um eine Stelle als Stewardess beworben hatte, um die Hüften herum kräftig zugenommen und würde sich heute, sechzehn Jahre danach, wohl nur noch mit Schwierigkeiten durch den Mittelgang einer Boeing 737 hindurchzwängen. Ihre Beine und ihre Fesseln waren jedoch noch immer fast genauso schlank wie damals, als sie, ein Jahr nach ihrer Ablehnung durch die Fluggesellschaft, Tom Bowman geheiratet hatte und zusammen nach Torquay in die Flitterwochen gefahren waren. Und lediglich ihre Füße, das heißt die kleinen weißen Knötchen entlang der mittleren Gelenke ihrer ohnehin etwas knubbeligen, nicht besonders hübschen Zehen, verrieten, wie sie sich manchmal einzureden versuchte, daß sie allmählich auf die Vierzig zuging. Doch wenn sie ehrlich war, gab es auch noch andere Anzeichen. Da war zum Beispiel der wöchentliche Besuch der teuren Klinik, zu dem sie sich jedesmal bei ihrer Arbeitsstelle, dem Prüfungsamt der Universität Oxford, einen halben Tag freinehmen mußte... Der Gedanke daran war ihr unangenehm, und sie schob ihn immer schnell wieder beiseite.
    «Mehr fällt dir nicht ein?» fragte sie.
    Er sah sie wieder an, etwas aufmerksamer diesmal. «Du wirst dir doch wohl hoffentlich noch andere Schuhe anziehen, oder?» bemerkte er nüchtern.
    «Wieso?» In ihre braunen Augen mit der grünlich gesprenkelten Iris trat ein Ausdruck verwirrter Unsicherheit. Mechanisch richtete sie mit der Linken ihr eben erst frisiertes, blondgefärbtes Haar, während sie mit der Rechten immer wieder fahrig über ihren Rock strich, als gelte es, hartnäckige Flusen zu entfernen.
    «Es gießt in Strömen — hast du das gar nicht bemerkt?» Kleine Rinnsale liefen außen am Wohnzimmerfenster hinab, und noch während er sprach, klatschten ein paar dicke Tropfen gegen die Scheibe und verliehen seinen Worten Nachdruck.
    Sie blickt hinunter auf ihre neuen schwarzen Schuhe, die sie sich extra aus Anlaß der Beerdigung angeschafft hatte und die nicht nur schick waren, sondern auch herrlich bequem. Aber bevor sie etwas sagen, vielleicht Einwände erheben konnte, fuhr er schon fort:
    «Es ist doch eine Erdbestattung, oder?»
    Einen Augenblick lang wußte sie nicht, wovon er sprach. Das Wort «Erdbestattung» klang so unbekannt, als sei es einer jener fremdartigen Ausdrücke, die man erst im Lexikon nachschlagen muß, um sie zu verstehen. Doch dann wußte sie, was er meinte: Erdbestattung bedeutete, daß die Leiche nicht eingeäschert wurde, sondern daß man statt dessen in der rötlichen, lehmigen Erde eine längliche Grube aushob, in die man den Toten hinablassen würde. Sie hatte dergleichen schon oft im Fernsehen und im Kino gesehen — es hatte übrigens immer geregnet.
    Sie blickte aus dem Fenster. Auf ihrem Gesicht malte sich Enttäuschung.
    «In den Schuhen wirst du dir nasse Füße holen, aber du mußt selbst wissen, was du tust.» Er schlug die Mittelseiten der Zeitung auf und vertiefte sich in einen Bericht über die sexuellen Abenteuer eines prominenten Billardspielers.
    Einen Augenblick hing alles in der Schwebe, war es unentschieden, ob das Leben der Bowmans im gleichen Trott weitergehen würde
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