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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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ab und schloß auf.
    «Ich bin wieder da-ha!» rief sie. Doch sie erhielt keine Antwort. Sie warf nacheinander einen schnellen Blick in die Küche, ins Wohnzimmer und ins Schlafzimmer — schließlich ins Gästezimmer. Er war nicht da, und sie war froh darüber. Sie hatte, gleich als sie kam, gesehen, daß der Metro aus der Auffahrt verschwunden war, aber es hätteja auch sein können, daß er ihn wegen des Regens in die Garage gefahren hatte. Wahrscheinlich war er also in den Pub gefahren — es war ihr so nur recht. Sie betrat das Gästezimmer, zog die Tür des Kleiderschrankes auf, holte ihre Handtasche hervor und öffnete sie — der Brief war noch da. Sie hatte sich also umsonst Sorgen gemacht und bereute jetzt beinahe, nicht zu den anderen in den Pub gegangen zu sein; einen Gin hätte sie ganz gut vertragen können. Aber sei’s drum. Der Stapel Schuhkartons in der hinteren Ecke sah etwas wackelig aus, und sie schob die Schachteln wieder ordentlich aufeinander. Mit einem Seufzer der Erleichterung verließ sie das Zimmer und ging hinunter in die Küche. In Zukunft würde sie vorsichtiger sein.
    Sie wärmte sich die Reste des Hühnchen-Risotto auf, das es gestern zum Abendessen gegeben hatte, aber die wenigen Bissen schmeckten wie Stroh, und sie schob den Teller schnell wieder beiseite. In was für eine Situation hatte sie sich bloß gebracht! Was für eine gräßliche, aussichtslose Situation! Sie setzte sich ins Wohnzimmer, stellte das Radio an und hörte die Ein-Uhr-Nachrichten. Das englische Pfund hatte sich über Nacht leicht erholt; sie wünschte, von ihrem Herzen ließe sich dasselbe sagen. Sie schaltete den Fernseher ein und sah sich die Übertragung der ersten beiden Rennen aus Newbury an, ohne daß sie allerdings hinterher hätte sagen können, welches der Pferde nun eigentlich den Sieg davongetragen hatte. Auch vom dritten Rennen bekam sie so gut wie nichts mit, und erst das Quietschen der Bremsen auf der Auffahrt riß sie aus ihrer Versunkenheit. Er küßte sie zur Begrüßung leicht auf die Wange und erkundigte sich, wie die Beerdigung gewesen sei. Seine Stimme klang, als sei er nüchtern, doch sie wußte, daß er mehr als ein Glas getrunken hatte und war infolgedessen nicht im mindesten überrascht, als er erklärte, sich erst einmal etwas hinlegen zu wollen.
    Doch Thomas Bowman fand an diesem Samstagnachmittag nur wenig Ruhe, denn in seinem Kopf begann sich ein Plan zu formen. Niemand außer ihm war im Raum gewesen, als er in seiner Dienststelle den an Margaret gerichteten Brief fotokopiert hatte. Das Original und die Kopie in Händen war er an eines der zum Hof hinausgehenden Fenster getreten und hatte, zunächst noch ganz abwesend, auf die Reihen der ordentlich geparkten Zustellautos hinuntergestarrt. Nach einer kleinen Weile war ihm ins Bewußtsein gedrungen, was er sah, und plötzlich hatte ihn der Gedanke beschäftigt, wie unauffällig sich doch der Fahrer eines dieser Wagen in der Stadt bewegen konnte. Zum einen, weil die Autos ringsum geschlossen waren und man den Fahrer überhaupt nur von vorne richtig sehen konnte, zum anderen, weil die kleinen, roten Wagen so sehr zum Stadtbild gehörten, daß ihnen niemand mehr Beachtung schenkte. Nicht einmal die ansonsten scharfäugig nach Opfern Ausschau haltenden Politessen schenkten ihnen Beachtung, wenn sie sich langsam von einem Haltepunkt zum nächsten bewegten. In dem Brief hatte der Mann, der Margaret offenbar rücksichtslos unter Druck zu setzen versuchte, geschrieben, daß er sie unbedingt zu treffen wünsche, und zwar am Montag um zehn vor eins vor der Summertown-Bücherei in der South Parade. Und auf einmal und für ihn selbst überraschend war er entschlossen gewesen, an diesem Treffen teilzunehmen — sozusagen als unsichtbarer Dritter. Ein rotes Zustellauto zu bekommen war kein Problem, das würde er schon hinkriegen. Günstig war auch, daß er die Gegend gut kannte. Er hatte Margaret, bevor sie ihren Führerschein machte, oft zur Bücherei gebracht und auch wieder abgeholt und wußte, daß sich an der Ecke von South Parade und Middle Way ein kleines Postamt befand mit einem Briefkasten davor. Ein Postfahrzeug würde dort überhaupt nicht auffallen...
    Doch dann schien plötzlich für einen Moment sein ganzer schöner Plan wieder in sich zusammenzufallen: Er wußte ja überhaupt nicht, wie lange Margaret den Brief schon mit sich herumgetragen hatte. Er war undatiert, es gab also keinerlei Anhaltspunkt, welcher Montag gemeint war.
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