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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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schlechtes Gewissen, andererseits sah er aber auch keinen Anlaß, sich nun vor Scham zu verzehren. Ohnehin hatte er unausgesprochen die Theorie aufgestellt, daß seine hübsche, wenn auch mittlerweile etwas rundlich gewordene Frau ihm die Fotos schon verzeihen würde, wenn sie jemals davon erfahren sollte — jedenfalls eher als den Whisky. Oder würde sie ihm vielleicht auch den Whisky verzeihen? Früher hatte er immer angenommen, daß ihr im Zweifelsfall ein nichttrinkender, gelegentlich untreuer Ehemann lieber sei als einer, der zwar treu, aber ständig alkoholisiert war. In letzter Zeit allerdings war er sich dieser Einschätzung nicht mehr so sicher gewesen. Hatte sie sich vielleicht, was ihre Einstellung zum Alkohol anging, verändert, und wenn ja, seit wann? Sie mußte mehr als einmal an seinem Atem gemerkt haben, daß er getrunken hatte, auch wenn sie sich in den letzten Monaten zugegebenermaßen nur sehr selten und dann auch immer nur flüchtig körperlich nahegekommen waren. Aber derlei Gedanken, mochten sie auch des öfteren auftauchen, nahmen seine Aufmerksamkeit immer nur kurze Zeit in Anspruch, dann pflegte er sie energisch beiseite zu schieben. So auch jetzt. Er packte den Schuhkarton zurück und wollte gerade zwei seiner ausgedienten Anzüge wieder an ihren alten Platz auf der Kleiderstange zurückschieben, als er plötzlich auf dem Boden des Schrankes, direkt hinter der linken Tür — einer Tür, die seiner Erinnerung nach kaum geöffnet wurde — , die schwarze Handtasche entdeckte, die Margaret, nachdem sie sich entschieden hatte, die graue zu nehmen, zurückgelassen hatte.
    Im ersten Moment war er nicht besonders überrascht, erst recht spürte er keine Neugier, doch dann auf einmal kam es ihm merkwürdig vor, und je länger er die Tasche ansah, um so merkwürdiger: Er konnte sich nicht entsinnen, jemals vorher eine ihrer Taschen dort stehen gesehen zu haben. In der Regel befand sich die Tasche, die sie gerade in Gebrauch hatte, neben ihrem Bett. Er ging hinüber in das gemeinsame Schlafzimmer. Vor dem Bett am Fenster, ihrem Bett, lagen unordentlich ihre schwarzen Pumps, so wie sie sie in aller Eile vor ihrem Aufbruch abgestreift hatte.
    Er ging wieder zurück und zog die Handtasche hervor. An und für sich war er kein neugieriger oder gar mißtrauischer Ehemann und wäre normalerweise nie auf die Idee gekommen, ihre Handtasche zu durchwühlen. Normalerweise. Aber er hatte eben auch nie vorher den Eindruck gehabt, daß seine Frau ihre Handtasche vor ihm versteckte. Und wenn sie das jetzt tat, dann konnte es nur einen Grund geben: Es gab irgend etwas in dieser Tasche, das er nicht sehen sollte, das sie aber bei ihrem eiligen Aufbruch auch nicht mehr hatte verstecken wollen. Der Verschluß der Tasche sprang sofort auf, und er sah den Brief gleich auf den ersten Blick. Er war vier Seiten lang.

    Du bist ein egoistisches Biest, aber wenn Du denkst, Du kannst Dich jetzt so ohne weiteres zurückziehen, wie es Dir paßt, dann mach Dich auf Ärger gefaßt, vielleicht habe ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wenn Du vorhast, mich wie ein Stück Dreck zu behandeln, dann mach Dir am besten gleich klar, daß ich es Dir heimzahlen werde. Und ich warne Dich: Ich kann ganz schön gemein sein, wenn ich will, so gemein wie Du jedenfalls allemal. Und wie gern hast Du doch alles genommen, was ich Dir geben konnte, und die Tatsache, daß ich es Dir auch geben wollte, heißt noch lange nicht, daß wir jetzt quitt wären, und Du so mir nichts dir nichts alles hinschmeißen und so tun kannst, als sei nichts gewesen. Nun, der Zweck dieses Briefes ist, Dich eines Besseren zu belehren. Und gib Dich keinen falschen Hoffnungen hin — ich meine es ernst...

    Sein Mund fühlte sich völlig ausgedörrt an. Hastig überflog er die übrigen Seiten. Doch der Verfasser hatte auf eine Unterschrift verzichtet — genauso wie auf die Anrede. Die Botschaft des Briefes war dennoch klar genug, er hätte ein kompletter Idiot sein müssen, sie nicht zu begreifen: Seine Frau betrog ihn mit einem anderen — und das offenbar nicht erst seit gestern.
    Hinter seiner Stirn begann es schmerzhaft zu pochen, das Blut dröhnte ihm in den Ohren, und er hatte das Gefühl, keinen klaren Gedanken fassen zu können. Merkwürdigerweise schien sein Körper ihm jedoch zu gehorchen, denn seine Hand war völlig ruhig, als er sich den Whisky in das billige kleine Glas goß, das er für seine heimliche Trinkerei zu benutzen pflegte. Es gab Tage, da
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