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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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Theoretisch war es möglich, daß sie sich schon letzten Montag getroffen hatten. Doch irgendwie glaubte er das nicht. Ganz irrational war er davon überzeugt, daß der kommende Montag gemeint war, genauso, wie er keinen Moment daran zweifelte, daß Margaret diese Verabredung einhalten würde. Er sollte in beiden Punkten recht behalten.

    Am folgenden Montag um zehn vor eins sah er im Seitenspiegel, daß Margaret sich seinem Auto näherte. Er rutschte auf seinem Sitz ein Stück tiefer, doch seine Vorsicht war unnötig. Sie ging vorüber, ohne das Auto auch nur mit einem Blick zu beachten. Wenige Sekunden später, Margaret war vielleicht sechs, sieben Meter entfernt, hielt plötzlich neben ihr ein Maestro. Der Fahrer beugte sich hinüber, um die Beifahrertür zu öffnen. Margaret stieg ein, und im selbem Moment brauste der Wagen mit hoher Geschwindigkeit davon.
    Doch nicht schnell genug. Als er vor der Einbiegung in die Woodstock Road halten mußte, stand drei Wagen hinter ihm das rote Postauto. Die Beschattung des Maestro war das erste Glied in einer Kette von Ereignissen, die schließlich in Mord gipfeln würden — clever geplant und mit entschlossener Brutalität ausgeführt.

Kapitel Drei

DEZEMBER

    , sprach Gott,
        Ich habe das Blatt auf den Rasen gestreut,
    Den Wurm in der Erde versiegelt,
    Und die letzte Sonne herabgelassen.>
    Thomas Hardy, New Year’s Eve

    Die von Bäumen gesäumte St. Giles’ Street, eine der Hauptverkehrsstraßen Oxfords, weist sich an vier oder fünf Stellen mit schweren, gußeisernen Schildern aus (weiße Lettern auf schwarzem Grund), die in Lucy’s Gießerei im angrenzenden Stadtteil Jericho angefertigt worden sind. Der Apostroph am Ende des Namenszugs bedeutet vermutlich, daß Oxford glaubt, seinem Ruf als Gelehrtenstadt gerecht werden zu müssen, und es ist nur ein Glück, daß nicht auch noch die Autoritäten der Fakultät für Englisch ein Mitspracherecht haben, denn sie würden ganz sicher darauf bestehen, hyperkorrekt dem Apostroph noch ein weiteres «s» sowie einen zweiten Apostroph folgen zu lassen: St. Giles’s’ Street. Doch das nur nebenbei. Der Kreis derer, die mit dem Rat Fowlers bezüglich des Umgangs mit dem Genitiv vertraut sind, dürfte nicht allzu groß sein, und die Personen der nun folgenden Kapitel gehören ganz gewiß nicht dazu. Sie zählen, hält man sich an die gängige Oxforder Unterscheidung zwischen «Geist» und «Geld», ganz eindeutig zur letzteren Kategorie.
    Die St. Giles’ Street teilt sich an ihrem nördlichen Ende, dort, wo sich auf einem Rasendreieck ein Mahnmal zum Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege erhebt, nach links in die Woodstock, nach rechts in die Banbury Road. Folgt er dieser, so wird dem Besucher nach einigen hundert Metern eine Reihe von Häusern auffallen, die alle im selben Stil gehalten sind, einem Stil, den man mit einigem Recht als venezianische Gotik beschreiben darf. Über Fenstern und Türen wölben sich Spitzbögen, und die Fenster selbst sind durch zwei, manchmal auch drei schmale Säulen unterteilt. Die Häuser sind in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entworfen worden, und Ruskins Einfluß ist so deutlich zu spüren, daß man meint, er hätte den Architekten während ihrer Arbeit über die Schulter geschaut. Dem Betrachter mögen sie mit ihren gelbbeigen Mauern und den purpur-blauen Schieferdächern zunächst ein wenig streng erscheinen, doch wird er sein Urteil bei genauerem Hinsehen revidieren müssen: Die eingefügten Reihen orangefarbener Steine mildern den asketischen Eindruck, und die Wiederkehr der Spitzbögen als flächiges Ornament in Orange und Purpur tut sein übriges, das Ganze aufzulockern.
    Geht man weiter, so erblickt man, Park Town rechter Hand hinter sich lassend, eine Anzahl Villen aus rotem Backstein, die — besonders nach den anfangs eher abweisend wirkenden Fassaden der venezianischen Gotik — sofort anheimelnd wirken. Die Dächer sind mit roten Ziegeln gedeckt, und bei fast allen sind die Fenster freundlich weiß umrahmt. Die Architekten, mittlerweile fünfzehn Jahre älter und überdies endlich aus dem Schatten Ruskins getreten, hatten es nun wieder gewagt, Fenster zu entwerfen, deren Sturz in einer schlichten Horizontalen bestand. Und so lassen sich nun, auf nicht einmal einen Kilometer, in dichter Nachbarschaft zueinander, die steingewordenen Zeugnisse zweier sehr unterschiedlicher Architekturrichtungen
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