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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
Autoren: Colin Dexter
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zweierlei Art betrachten — einfach oder kompliziert. Und wir haben bei unseren Ermittlungen leider unweigerlich immer letzteres getan, sehr zu unserem Schaden.»
    «Ich verstehe», sagte Lewis mit schwacher Stimme.
    «Nehmen Sie nur diese Geschichte mit dem Menü zum Beispiel», fuhr Morse fort. «Was haben wir uns darüber den Kopf zerbrochen, wie Mrs. Bowman wohl heraus gefunden haben könne, was es gab. Ich habe wieder und wieder Max’ Bericht gelesen, bis ich den Bowmanschen Mageninhalt schon beinahe auswendig hersagen konnte. Und Sie, Lewis, waren derartig verstrickt in dies vermeintliche Problem, daß Sie, als Ihnen Miss Jonstone heute morgen sagte, am 30. habe eine Frau sich telefonisch erkundigt, was es Silvester zu essen gebe, dachten, Sie hätten Gott weiß was für eine Entdeckung gemacht. Und dabei war das Ganze ein völlig normaler Vorgang. Es ist doch auch schließlich gar nicht so abwegig, daß irgendjemand vorher wissen will, was es zu essen gibt, weil er sichergehen will, nicht zum hundertachtundzwanzigstenmal die ewig gleiche Scheibe Truthahnbrust auf seinem Teller zu finden. Eine andere, wesentlich näherliegende Frage haben wir uns dagegen nicht gestellt: Wieso unser Mann, nachdem er schon die ersten beiden Gänge ausgelassen hatte, nicht irgendwann im Laufe des Abends hungrig wurde. Selbst wenn er zu den Leuten gehörte, die ihr Essen in einer Plastiktüte verschwinden lassen, um es zu Hause mit ihrem Hund zu teilen — meinen Sie nicht, spätestens beim vierten Gang, dem Schweinekotelett, hätte er schwach werden müssen? Warum hat er nicht wenigstens einen Bissen davon genommen? Die Antwort ist lächerlich einfach, Lewis! Rastas dürfen kein Schweinefleisch essen!
    Kommen wir nun zu der Sache mit den Flecken. hinterließ, wie wir wissen, auf allem, was er anfaßte, braune Spuren - und das selbst noch nach Mitternacht. Die diesbezüglichen Aussagen liegen uns vor: Miss Palmer, Mrs. Smith und Sarah Jonstone, sie alle schimpften mehr oder weniger, daß dieser verdammte Rasta mit seinen braungefärbten Pfoten ihre Kleidung schmutzig gemacht habe. Und wie reagiere ich? Indem ich mir eine Reihe höchst überflüssiger Fragen stelle!» Morse schüttelte reumütig lächelnd den Kopf. «Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte die Flecken analysieren lassen, ob sie auch tatsächlich alle von derselben Substanz verursacht worden sind. Eine ganz wesentliche Unstimmigkeit dieser ganzen Schminkgeschichte hätte ich dagegen beinahe übersehen: daß nämlich jede Schminke nach einer gewissen Zeit trocknet. Unmittelbar nach dem Aufträgen färbt sie natürlich immer noch ein bißchen ab, aber später dann nicht mehr. Unser Rasta aber hinterließ noch nach Stunden seine Spuren. Wieso? Die Antwort muß lauten: weil er es so wollte. Ich nehme an, daß er einen Schminkstift in der Tasche gehabt und sich ab und zu heimlich die Hände nachgefärbt hat. Und er hat ja auch mit Bedacht gerade immer dorthin gefaßt, wo er sicher sein konnte, daß die Flecken auffallen würden.
    Und jetzt zu Hinweis Nummer drei. Der Mann, der als auftrat, hatte, wie wir schnell mitbekamen, beim Kostümwettbewerb den ersten Preis gewonnen, und wir ergingen uns daraufhin in wilden Spekulationen über seinen Charakter: daß er besonders phantasievoll oder detailbesessen oder ehrgeizig gewesen sein müsse, um sich so täuschend echt zu verkleiden. Was für ein horrender Blödsinn! Die Wahrheit ist: Er wirkte echt, weil er echt war .»
    «Mr. Winston Grant», sagte Lewis.
    «Richtig, Mr. Winston Grant. Und ausgerechnet gestern abend ist er mir über den Weg gelaufen. Sie sehen, Lewis, unser Leben wird von Zufällen regiert... Denn Grant ist Bauarbeiter und war letzten Sommer dabei, als die Delegacy ein neues Dach erhielt. Im November verlor er dann infolge der flauen Auftragslage in der Bauwirtschaft seinen Job, das Geld wurde knapp — und dann bekam er dieses großzügige Angebot... Wie großzügig wissen wir nicht, aber großzügig genug, daß er einwilligte, für ein paar Stunden auf einer Silvesterparty im Hotel Haworth einen als Kariben verkleideten Europäer zu mimen. Die Einzelheiten der Absprache zwischen Wilkins und Grant werden wir vermutlich nie erfahren, aber...»
    In diesem Moment klopfte es. Sergeant Phillips steckte den Kopf durch die Tür und verkündete, daß der Verhaftete eingetroffen und ins Vernehmungszimmer gebracht worden sei.
    Morse lächelte.
    Und Lewis lächelte ebenfalls.
    «Sie wollten
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