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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller
Autoren: Reinhard Pelte
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wirtschaftliche Macht anzuhäufen, was ihn in Widerspruch
zu seiner Staatsidee brachte. Er versuchte, die mächtigen Vereinigten Staaten für
seine Sache zu gewinnen. Deren Hilfe blieb aber halbherzig und machte ihn in den
Augen seiner Landsleute und der übrigen Welt noch unglaubwürdiger. Schließlich entstand
der Eindruck einer marxistisch inspirierten, diktatorischen Kleptokratie [1] , vor allem auch deswegen, weil er seinen Landsleuten
keine spürbare Verbesserung ihrer erbärmlichen Lebensumstände bieten konnte. Damit
war sein Ende absehbar.
    Die von den Scheichs ins Leben gerufene und
ausgerüstete Sezessionsbewegung in Nordsomalia ( SNM [2] ) zwang ihn schließlich zur Flucht, auf der er später in Lagos an einem
Herzinfarkt starb. Sein Clan und seine Getreuen wurden in den ausbrechenden blutigen
Unruhen restlos liquidiert. Der Niedergang seines Onkels und der der DDR verliefen synchron. Jussuf war klug genug zu wissen, dass seine
Tage in Deutschland gezählt waren. Bis jetzt hatte er hier als Bannerträger des
Sozialismus in Ostafrika ein vergleichsweise privilegiertes Dasein geführt. Nach
dem Zusammenbruch des DDR -Regimes und dem absehbaren Ende der Herrschaft
seines Onkels wurde er aber lästig.
    Er wartete ab und verfolgte mit großer Wachsamkeit
die Entwicklung in seinem Heimatland, soweit ihm das überhaupt möglich war. Dann
erreichte ihn ein Schreiben der Intergovernmental Authority on Development ( IGAD ) aus Dschibuti. Darin wurde er gebeten, sich und seine in Deutschland
erworbenen Kenntnisse, in erster Linie seine Sprachkenntnisse, der IGAD zur Verfügung zu stellen. Für einen entsprechenden Lebensunterhalt
werde gesorgt werden, ein Flugticket sei bei der Air France hinterlegt.
    Jussi überlegte lange, was er von diesem Schreiben
halten sollte. Der Mangel an Alternativen und die durchaus realistische Chance,
für mächtige Autoritäten von Nutzen sein zu können, ließen ihn den Flug nach Dschibuti
antreten.
     
    Beim Anflug auf Dschibuti kamen ihm erste Zweifel, ob er sich richtig
entschieden hatte. Neben der Rollbahn machte er ein ausgedehntes Zeltlager aus,
das von Erdwällen, hohen Zäunen und Türmen aus bewacht wurde. Es sah nach einem
Internierungslager aus. Als die Maschine auf der Runway ausrollte, entdeckte er
aber Transporthubschrauber mit amerikanischen Hoheitsabzeichen, die auf einem abgesteckten
Platz vor dem Lager abgestellt waren. Auf dem Taxiway rollte eine Herkules der US
Air Force in ihre Startposition, und überall liefen amerikanische Soldaten herum.
Er beruhigte sich bei dem Gedanken, dass er ein amerikanisches Militärcamp vor sich
hatte und kein Lager für unerwünschte Immigranten.
    Jussi hatte sich nicht verrechnet, wenn auch
die IGAD sich rasch als vorgetäuschte Adresse herausstellte.
Sie war gewählt worden, um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn zu beruhigen. Der
regierende Clan um den amtierenden Außenminister Dschibutis, Mahamoud Youssouf,
steckte hinter seiner Anwerbung. Dessen Absichten aber waren in dem Schreiben korrekt
wiedergegeben worden.
    Beamte des Außenministers empfingen ihn am
Flughafen zuvorkommend und mit Respekt. Man entschuldigte sich nebenbei, aber ohne
ersichtliche Skrupel für den kleinen Trick, seinem Entschluss nachgeholfen zu haben.
Ihm wurde höflich bedeutet, dass seine Fähigkeiten im Dienste der arabischen Sache
gebraucht würden. Er könne auch ablehnen und nach Europa zurückkehren. Vorher sei
es empfehlenswert, sich anzuhören, was von ihm erwartet werde. Dazu war ein Treffen
in Sansibar City mit Scheich Hamid vorbereitet, Bruder des regierenden Sultans von
Oman, Qabus ibn Said, und – nach westlichem Sprachgebrauch – Stabschef der islamischen
Sultanate und Emirate. Der private Learjet [3] des Scheichs stehe übermorgen – genug Zeit
für ihn, sich auszuruhen – auf dem Airport Dschibuti bereit, ihn nach Daressalam
zu fliegen. Von da ginge es per Tragflügelboot direkt nach Sansibar City.
    Jussi war klar, dass ihm die Machtverhältnisse
keine Wahl ließen. Die Erwähnung des Scheichs erfüllte ihn mit Ehrfurcht und gleichzeitig
mit Angst. Aber sie gab ihm auch Hoffnung, dass sein Leben noch nicht verwirkt war.
Der Scheich hätte nie zugelassen, dass sein Name im Zusammenhang mit der Liquidierung
unerwünschter Personen hätte genannt werden können.
    Er war Gast des Außenministers und verbrachte
zwei Nächte im Gästehaus des Präsidentenpalastes. Arabische Kleidung und Geld wurden
ihm gestellt. Dschibuti war angefüllt mit
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