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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller
Autoren: Reinhard Pelte
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hatte. Er war vor rund einem Jahr Gesprächsthema
unter den ermittelnden Kollegen gewesen, und Jung hatte beiläufig das eine oder
andere aufgeschnappt. Später flatterten die Ermittlungsakten über die zwei verschwundenen
Frauen auf seinen Schreibtisch. In der Folgezeit konzentrierte er sich auf seine
Arbeit und verlor den Kontakt zu dem anderen Fall. Er hatte auch nichts mehr von
der Sache gehört.
    Seine Unruhe wuchs. Er fragte sich besorgt,
was da wohl auf ihn zukomme. Ein Blick auf seine Armbanduhr belehrte ihn, jetzt
endlich mit dem Studium der Akten anzufangen, bevor seine Fantasie mit ihm durchzugehen
drohte. Mit einem leichten Seufzer blickte er durch das geöffnete Fenster auf das
glitzernde Fördewasser, schlug die zuoberst liegende Akte auf und begann mit der
Lektüre des zusammenfassenden Berichtes:
     
    Am 16. August 2003, gegen 21 Uhr, entdeckte Frau Helga Bongard, geb.
18. Oktober 1948 in Essen, wohnhaft Op de Hörn 6, Holtbüll/Nordfriesland, die Leiche
ihrer Freundin Frau Anna Mendel, geb. 05. Mai 1945 in Berlin, im Haus Norderende
5, Kampen/Sylt. Sie hatten sich an diesem Tag im Haus der Verstorbenen verabredet.
Frau Bongard hatte in den 90er-Jahren für Frau Mendel gearbeitet, die eine Maklerfirma
und eine Vermietungsagentur für Ferienwohnungen auf Sylt betrieb. Sie waren freundschaftlich
verbunden geblieben, nachdem Frau Bongard den Betrieb verlassen hatte, um sich auf
dem Festland selbstständig zu machen.
    Auf ihr wiederholtes Klingeln hatte ihre Freundin
nicht reagiert. Sie öffnete die unverschlossene Haustür und fand sie tot im Sessel
ihres Wohnzimmers. Sie vermutete sofort, dass es sich nicht um ein natürliches Ableben
handeln konnte, und verständigte die Polizeiwache in Westerland. Um 21.37 Uhr trafen
Polizeiwachtmeisterin Karin Johannsen und Polizeiobermeister Jens Jürgensen vor
Ort ein und veranlassten nach Feststellung des Todes der Frau sofort die Aktivierung
der Spurensicherung (inklusive Rechtsmediziner) und der Abteilung für Gewaltverbrechen
bei der Polizei-Inspektion Nord in Flensburg. Während die angeforderten Beamten
mit dem Hubschrauber eingeflogen wurden, sperrten die beiden das Grundstück ab und
nahmen die Personalien der Freundin des Opfers auf. Die erste flüchtige Überprüfung
der Wohnung ergab keine Hinweise, die auf Gewaltanwendung oder Gewaltabwehr hätten
schließen lassen können.
    Nach Ankunft der Spezialisten aus Flensburg
wurde eine eingehende Untersuchung der Leiche und des Tatorts vorgenommen. Der erste
Eindruck der Beamten vor Ort wurde bestätigt. Der Rechtsmediziner schätzte den Todeszeitpunkt
auf den frühen Morgen zwischen 8 und 11 Uhr des gleichen Tages. Vorbehaltlich einer
noch durchzuführenden Obduktion stellte er Tod durch ein krampfauslösendes Gift
fest (die spätere Obduktion bestätigte als Todesursache Vergiftung durch Strychnin).
    Die inzwischen unterrichteten nächsten Angehörigen
(Sohn Jürgen Mendel und dessen Ehefrau Karin, wohnhaft Steinmannstr. 12, Westerland/Sylt)
betraten das Haus der Toten um 23.45 Uhr und identifizierten die Verstorbene als
ihre Mutter bzw. Schwiegermutter, Anna Mendel. Weitere Angehörige konnten zu diesem
Zeitpunkt nicht befragt werden (Sohn Holger Mendel lebt in New York/USA, die Tote
ist seit 1990 geschieden [der geschiedene Mann Victor Mendel ist wohnhaft in Berlin-Steglitz,
Forststr. 64 und lebt allein], alle noch verbleibenden möglichen Angehörigen wie
Vater, Mutter, Geschwister, Tanten etc. gibt es nicht bzw. sind bereits verstorben).
Die Tote war selbstständige Immobilienmaklerin und Inhaberin einer Agentur für die
Vermietung von Ferienwohnungen in Westerland/Sylt. Sie hinterlässt ein geschätztes
Immobilienvermögen von ca. 80 Millionen Euro und ein Barvermögen von 16 Millionen
Euro. Gemäß Testament geht das Erbe zu gleichen Teilen an die Söhne Jürgen und Holger,
beide Diplomkaufleute. Als Nachfolgerin in der Führung ihrer Firmen bestimmte die
Verstorbene die Schwiegertochter Karin Mendel geb. Samuelson, ebenfalls Diplomkauffrau.
     
    Jung entnahm den Akten, dass die intensiv geführten Ermittlungen der
eigens eingesetzten Sonderkommission sich im Wesentlichen auf die Aufdeckung der
Herkunft des Giftes und die Durchleuchtung des sozialen Umfeldes der Toten konzentrierten.
Die Herkunft des Toxins konnte nicht ermittelt werden. Den mit der Toten in enger
und auch weiterer Beziehung stehenden Personen konnte ein Zusammenhang mit der Tat
nicht nachgewiesen werden. Auch vage Anhaltspunkte
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