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0879 - Henker-Dämmerung

0879 - Henker-Dämmerung

Titel: 0879 - Henker-Dämmerung
Autoren: Roger Clement
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Go'nam war ein friedliches Land.
    Im Osten wurde es vom Weltozean begrenzt. Im Norden gab es nur eine Steilküste, die ebenfalls an den Gestaden des riesigen Gewässers endete. Und im Westen und Süden besaß Go'nam eine lange Grenze zum Kaiserreich Ankora.
    Es gab noch weitere Länder auf dieser Welt, an den anderen Grenzen des großen Kaiserreichs.
    Schlimme Gerüchte drangen aus diesen Kleinstaaten nach Go'nam. Von Massakern war die Rede, von blutigen Eroberungszügen des Henkers. Unter dem Schwert von Ankora unternahm der Künder des Dunklen Herrschers seit einigen Monden furchtbare Eroberungszüge.
    Die Bewohner der okkupierten Länder mussten ihren eigenen Göttern abschwören und sich dem Dunklen Herrscher auf Gedeih und Verderb ausliefern. Wer das nicht tat, dem erging es schlecht.
    Die reitenden Boten und fahrenden Gaukler, entlassene Landsknechte und heimatlose Bettler berichteten hinter vorgehaltener Hand von entsetzlichen Dingen, die sich im Fürstentum Botau, in der Grafschaft Rootak und im Königreich Ceet abgespielt haben sollten.
    Nachrichten, die auch den Meister der Harmonie nicht kalt ließen. Er war Vorsteher eines Klosters an der Westgrenze von Go'nam. Das uralte Gebäude erinnerte eher an eine Trutzburg als an geistliche Gemächer. Und doch galt es als Zentrum der Spiritualität in Go'nam.
    Der Abt des Ordens der Schwertmönche hatte soeben seine lange Morgenmeditation beendet. Schon vor Sonnenaufgang begab sich der Meister der Harmonie in sein Meditationsgemach, wo er sich selbst mit den Geistern der Natur in Einklang brachte. Dann war es, als würde er verschmelzen mit der ganzen Welt, die ihn umgab. Mit dem Gesang der Vögel, mit dem scharfen Duft der Morgensuppe, die einige Brüder in der Klosterküche zubereiteten, mit dem harten Steinboden des festungsartigen Klosters.
    Wenn der Meister der Harmonie erkannte, dass er ein Teil des Ganzen, des Universums war, fiel jede Verzagtheit und jeder Zweifel von ihm ab. Dann wusste er intuitiv, was er zu tun hatte.
    Der Meister der Harmonie verneigte sich vor seinem Altar und berührte mit der Stirn den Boden. Die Statuen, welche die Geister der Natur darstellen sollten, lächelten ihm zu.
    Der Abt erhob sich von dem harten Boden. Er strich sein weites Gewand glatt. Das Kettenhemd, das er darüber trug, klirrte. Der heilige Mann schnallte das Schwert an seinen Waffengürtel. Auch während der Meditation hatte es stets in Griffbereitschaft gelegen.
    Es gehörte zum Glauben der Mönche, niemals unbewaffnet zu sein. Auch wenn die meisten von ihnen noch nie im Leben eine Waffe im Kampf hatten führen müssen…
    Es klopfte an der Tür.
    »Herein!«
    Der Meister der Harmonie drehte sich um. Sein Vertrauter Bruder Tedo trat ein.
    Tedo war jünger als der Abt des Klosters. Während der Meister der Harmonie von hagerer, sehniger Statur war, hatte der dunkelhaarige Tedo die Figur eines Ringkämpfers. Die Farbe seiner Haare ließ sich nur an seinen buschigen Augenbrauen erkennen, denn wie alle Schwertmönche waren sowohl Tedo als auch sein Abt völlig kahl geschoren.
    Der Jüngere faltete die Hände vor der Brust, um seinen Meister zu grüßen.
    »Guten Morgen, Bruder Tedo! Was bringst du mir für Kunde?«
    Das Gesicht des jüngeren Mönches verfinsterte sich noch mehr, als es ohnehin schon der Fall war.
    »Leider keine gute, Meister! In der Nacht traf ein Goldhändler ein, der eine Reise nach Botau gewagt hat.« Der Mönch machte eine Pause, um seiner Erregung Herr zu werden. »Das Schwert des Dunklen Herrschers muss dort entsetzlich gewütet haben. Wie ihr wisst, beten die Bewohner von Botau traditionell zu ihrem Landesgott Bo.«
    »Das ist mir bekannt, Bruder Tedo.«
    »Die Krieger des Dunklen Herrschers haben alle Tempel von Bo zerstört. Die Bo-Priester wurden getötet. Kein Einziger soll mit dem Leben davongekommen sein.« Man spürte deutlich, dass es Bruder Tedo schwer fiel, gelassen zu bleiben. Dabei war die Beherrschung des eigenen Geistes die wichtigste Regel der Schwertmönche. »Die Bevölkerung muss nun auf Geheiß des Henkers den Dunklen Herrscher anbeten. Und wenn sie es nicht tut, dann ergeht es ihr schlecht.«
    »Ich begreife das nicht«, sagte der Abt. Es war, als würde er laut nachdenken. »Warum kann der Henker den Menschen dort nicht ihre Religion lassen? Warum muss er überhaupt diese Länder erobern?«
    Bruder Tedo schwieg. Vielleicht, weil man diese Frage nicht beantworten konnte. Außerdem wusste der Schwert-Mönch, dass sein Abt
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