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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille
Autoren: Inge Löhnig
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Halbschlaf. Daran, wie sein Atem sich veränderte, erkannte sie, dass er aufgewacht war. Langsam drehte sie ihm den Rücken zu.
    War es nicht verrückt, jemanden zu lieben, und das über so viele Jahre hinweg, dem man unterstellte, diese Gefühle nicht zu erwidern? Dabei hatte sie Albert anfangs fast übersehen. Susi hatte ihn zu Studienzeiten in ihre gemeinsame Clique eingeführt, und Babs hatte erst nach einiger Zeit bemerkt, wie sehr ihr seine ruhige und überlegte Art gefiel. Er war kein Angeber, keiner von denen, die ständig im Mittelpunkt stehen mussten und zu jedem Thema etwas zu sagen hatten. Albert war ein in sich gekehrter Mensch, der gerade den Hauch an Melancholie ausstrahlte, den sie anziehend fand. Als sie während eines Grillfests an der Isar vom Regen überrascht wurden, überließ Albert ihr nicht nur ritterlich seine Jacke, sondern suchte mit ihr Unterschlupf unter einer alten Kastanie. Sie wurden von Schauern durchnässt, ohne es wirklich wahrzunehmen, weil sie die Anziehung, die sie aufeinander ausübten, so plötzlich entdeckten, wie der Sommerregen über sie hereingebrochen war.
    Schon wieder wälzte Albert sich herum. Kurz darauf fühlte sie die Wärme seines Körpers an ihrem, spürte seinenAtem im Nacken und seinen Arm auf ihrer Hüfte. Er vergrub seinen Kopf in der Mulde zwischen Schulter und Hals und ließ ihn dort einen Augenblick ruhen, bevor er begann, diese Stelle zu küssen. Babs’ Puls beschleunigte sich, ihr Atem wurde schneller, ihr Körper füllte sich mit einem lange nicht mehr empfundenen Begehren. Sie wollte sich ihm zuwenden, doch der Druck auf der Hüfte verstärkte sich. Albert schob seinen anderen Arm unter ihrem Körper hindurch und zog das T-Shirt hoch, das ihr das Nachthemd ersetzte. Seine Hand fühlte sich kühl an ihrer Brust an. Sie wollte sich umdrehen, ihm in die Augen sehen, seine Lippen auf ihren fühlen. Aber er hielt sie fest. Sein Körper drängte näher an ihren, sie spürte seine Erregung und in sich Widerstand wachsen.
    Mit einem energischen Ruck drehte er sie auf den Bauch, zog ihr den Slip aus und drängte mit seinem Körper zwischen ihre Beine. »Albert, bitte … « Mit der Linken griff er in ihr Haar und zog ihren Kopf zurück, während seine Rechte über Brust und Bauch bis in ihre Scham wanderte. Seine ungewohnte Hastigkeit und Direktheit verwirrten sie. Sie wollte das nicht, nicht so. Seit Monaten hatten sie nicht miteinander geschlafen. Sie hatte sich danach gesehnt und konnte ihn doch jetzt nicht zurückweisen? Er hob ihr Becken an, drang in sie ein und verfiel in einen schneller werdenden Rhythmus. In dieser Position konnte sie sich nicht bewegen, nicht einmal den Versuch unternehmen, einen Gleichklang mit ihm zu finden.
    Als er fertig war und sie nebeneinanderlagen, dachte Babs, dass dieser Akt nichts mit ihr zu tun gehabt hatte. Diese rabiate Seite kannte sie an Albert nicht, bisher war er immer sanft und rücksichtsvoll gewesen. Sie blickte zu ihm hinüber. Er lag auf dem Rücken, die Augen geschlossen.Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der ihn fremd erscheinen ließ, ein neuer Zug, den sie nicht benennen konnte. Sie beugte sich über ihn. Er schlug die Augen auf.
    »Das habe ich dringend gebraucht. So einen richtig guten Fick«, sagte er.
    Babs zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
    Lachend zog er sie an sich. Seine Bartstoppeln kratzten, als er ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. »Ach, Mäuschen. Das war ein Scherz, du hättest dein Gesicht eben sehen sollen.«
    »Was war da so amüsant?«
    »Na ja, das war der Blick einer prüden Klosterschülerin, die gerade verbotene Dinge getan hat. Eine Mischung aus Schockiertheit und dem geilen Wunsch nach mehr.«
    Kannte er sie wirklich so schlecht? Glaubte er ernsthaft, sie hätte Spaß gehabt? Der Wecker klingelte. Babs rollte sich auf die Seite und schaltete ihn aus. Immerhin hatte Albert sich nach Monaten des Desinteresses daran erinnert, dass er eine Frau hatte. Vielleicht war dies ein Anfang. Doch wie es weiterging, würde sie nicht ihm alleine überlassen. »Das nächste Rendezvous mit der Novizin muss warten«, sagte sie und ging ins Bad.
    Anschließend weckte sie die Jungs und deckte den Frühstückstisch in der geräumigen Küche. Sie mochte die Altbauwohnung im Herzen Schwabings, die sie seit der Hochzeit bewohnten. Großzügige Räume, hohe stuckverzierte Decken, knarrendes Parkett und weiße Sprossenfenster bedeuteten für sie Lebensqualität und waren ihr allemal lieber
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