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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille
Autoren: Inge Löhnig
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liebevollen Blicken, die Funken aus dem Feuer schlagen würden, das, wie sie vermutete, nur noch schwach in ihm glimmte, wenn es nicht schon ganz erloschen war. Sie hatte sich neue Dessous gekauft, nicht verrucht in Schwarz oder Rot und auch ohne Firlefanz wie Strapse oder unpassende Öffnungen – meine Güte, was es alles gab! –, sondern Wäsche, in der sie sich ebenso wohl wie begehrenswert fühlte, schlicht, mit ein wenig Spitze und in einem Cremeton, der hervorragend zu ihrer bronzefarbenen Haut passte. Doch dann hatte Albert gegenhalb sieben angerufen. Sein Vater hatte ein Problem mit einem verstopften Siphon am Küchenwaschbecken im Wochenendhaus. »Ich fahre kurz raus und repariere den Abfluss«, hatte er gesagt. Die Fahrt dorthin dauerte eine Dreiviertelstunde. Bis um acht konnte er nicht zurück sein.
    »Gibt es in Münsing keinen Klempner?«
    »Er hat mich gebeten, und ich will ihm das nicht abschlagen, nach allem, was er für uns getan hat. Keine Sorge, ich bin rechtzeitig zurück.«
    Die Frage, ob die Reparatur nicht bis morgen warten konnte, verkniff sie sich. Albert würde sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Wie immer. Nicht nur, wenn es um seinen Vater ging. Babs ließ sich ihre Verärgerung nicht anmerken. »Fahr vorsichtig«, sagte sie stattdessen.
    Nach allem, was er für uns getan hat!
Schließlich war es sein Wunsch gewesen, dass Albert die Praxis übernahm. Die Kinderarztpraxis Dr. Heckeroth, das Lebenswerk ihres Schwiegervaters, blieb so erhalten, und das bedeutete ihm viel.
    Kurz vor acht rief Albert an. Die Reparatur war beendet, er würde jetzt noch schnell mit seinem Vater einen Happen essen und dann losfahren.
    »Einen Happen essen.« Sie klang wie sein Echo.
    »Es tut mir leid, aber ich habe einen Bärenhunger. Du legst doch sonst nicht solchen Wert auf Jahrestage. Wir können doch auch ein andermal schön essen gehen.«
    Babs bestellte den Tisch ab, ließ sich aber per Kurier eine Flasche Champagner, einen Vorspeisenteller mit Lachsterrine, Creme de Canard und Baguette sowie zwei Portionen Crème brûlée aus dem
La Bretagne
schicken. Vielleicht hatte Albert ja noch Lust auf ein Dessert.
    Als er endlich kam, hatte sie die Flasche halb geleert und beide Desserts gegessen. Frustfraß, dachte sie, aber schlank, wie sie war, konnte sie sich das leisten. Die Enttäuschung über Alberts liebloses Verhalten war verflogen, übrig geblieben war Resignation. Sie machte ihm keine Vorwürfe, dass er wieder einmal seinem Vater den ersten Platz in seinem Leben eingeräumt hatte.
    Am Anfang ihrer Beziehung hatte Babs Albert um das gute Verhältnis zu seinem Vater beneidet. Mit ihrem eigenen stand sie meist auf Kriegsfuß, da er kaum eine ihrer Entscheidungen guthieß und häufig an ihr herummäkelte. Als Barbara jedoch gemerkt hatte, welchen Raum der Vater in Alberts Leben einnahm, und sie sich mit ihrer Liebe zu ihm hinten anstellen musste, da war die Bewunderung bald dem beschämenden Gefühl der Eifersucht gewichen.
    Sie hörte die Wohnungstür. Kurz darauf kam Albert ins Wohnzimmer und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Überrascht blickte er auf die Champagnergläser, schenkte sich ein Glas voll und stieß mit ihr an. »Mach jetzt bitte keine Szene.« Er ließ sich in den Sessel fallen und massierte sich mit einer Hand die Schulter. »Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und keinen Nerv für emotionale Ausbrüche.« Mit zwei Schlucken trank er das Glas leer, während Babs versuchte, die Wut zu unterdrücken, die in ihr hochkochte wie eine Urgewalt.
    »Entschuldige, Liebes. Ich habe das nicht so gemeint.« Albert nahm sie in den Arm.
    Warum sagst du dann so etwas?, dachte sie, lehnte aber ihren Kopf an seine Schulter.
    »Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist. Ich wollte dich nicht verletzen. Verzeihst du mir?« Natürlich verzieh sie ihm, aber ihre zaghaften Versuche, eine Versöhnungdurch Zärtlichkeiten herbeizuführen, wies er zurück; er sei völlig erschöpft. Sein Verhalten kränkte Babs, und wieder einmal fragte sie sich, ob ihr Mann sie je geliebt hatte oder ob er sie nur der Kinder wegen und auf Drängen seines Vaters geheiratet hatte. Des Vaters, den er so bewunderte. Irgendwann würde er es ihm gleichtun und sich anderweitig vergnügen.
    Zehn nach sechs. Draußen heulte ein Motor auf, ein Wagen fuhr mit quietschenden Reifen los. Seufzend starrte Babs zur Decke. Albert wälzte sich schnaufend auf die linke Seite und brabbelte etwas im
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