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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille
Autoren: Inge Löhnig
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über den See gen Süden zog.
    Die Bö traf ihn unvermittelt und den Bruchteil einer Sekunde später der harte Schlag des überkommenden Großbaums am Oberarm. Ein Knirschen, ein stechender Schmerz. Ehe er wusste, wie ihm geschah, ging er über Bord. Anfängerfehler, dachte er, als er auf dem Wasser aufschlug. Nasse Kälte war das Erste, was er fühlte, gefolgt von einer Kraft, die ihn in die Tiefe zog. Die Jackesog sich mit atemberaubender Geschwindigkeit voll. Seine rechte Hand gehorchte ihm nicht. Mit der Linken zerrte er am Reißverschluss, konnte ihn aber nicht bewegen. Die Kälte machte seine Finger steif, sein Herz raste, er ging unter, das Wasser schlug über ihm zusammen. Graugrün. Blasen stiegen vor seinen Augen auf. Wirbelnde Gischt. Er schlug um sich, ignorierte die pulsierende Qual in seinem rechten Arm und kämpfte sich an die Oberfläche. Erneut zerrte er am Reißverschluss. Diesmal bekam er ihn auf und streifte den Ballast ab. Nach Luft schnappend sah er sich um. Die
Sissi
war nur ein paar Meter entfernt. Alle Leinen an Bord. Nichts, woran er sich hätte hochziehen können. Das Gewicht der vollgesogenen Kleidung zog ihn wieder nach unten. Er kämpfte dagegen an. Das Ufer. Zweihundert Meter. Unerreichbar. Die Kälte fraß sich in seinen Körper, machte ihn taub. Schwimmen!, befahl er sich. Doch seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht, hingen wie Leichname an ihm. Mit letzter Kraft leistete er Widerstand, hörte entfernt das Knattern eines Außenbordmotors, dann schlug das Wasser über ihm zusammen. Eine seltsame Ruhe erfasste ihn. Das war es also, sein Ende. Noch hatte er eine Lunge voll Atem; ein, zwei Minuten blieben ihm. Wenn er die Luft gleich ausstieß, würde es schneller gehen. Aber das tat er nicht, er wollte an etwas Schönes denken. An seine Kindheit, an Julius, an seine Mutter und seinen Vater. An Agnes. Während er sank und der Druck in seiner Lunge im gleichen Maß zunahm wie das Verlangen, nach Luft zu schnappen, versuchte er Agnes’ Bild heraufzubeschwören, doch es gelang ihm nicht.
    Was er sah, waren Ginas Augen, tiefschwarz, die Pupillen von Adrenalin geweitet. Blasen stiegen vor ihrem Gesicht auf. Energisch packte sie zu, schlang ihren Armum seinen Brustkorb, während er sich an sie klammerte. Gemeinsam kämpften sie gegen diese Kraft, die sie in die Tiefe zog. Die Gier zu atmen wurde unerträglich; etwas wollte seine Lunge zerreißen. Er presste die Kiefer aufeinander. Graublaue Dämmerung verschwamm mit Ginas Augen, die waren wie Schokolade, noir, bitter und süß zugleich.

D ANKSAGUNG
    Mein besonderer Dank gilt Kriminalhauptkommissar Siegfried Wenzl, der mir wieder in allen Fragen der Polizeiarbeit zur Seite stand und mir bereitwillig erklärte, wie Mordermittler arbeiten. Auf dem Gebiet der Rechtsmedizin wäre ich ohne einen kompetenten Informanten in manche Falle getappt. Für seine ausführlichen Darlegungen zur Todeszeitbestimmung und Ermittlung von Todesursachen bedanke ich mich ganz herzlich bei Professor Dr. Wolfgang Keil, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in München. Meine Recherche zu Logfiles und Keyloggern hat Thomas Sossong auf Richtigkeit geprüft. Bei ihm bedanke ich mich ebenso wie bei meinen beiden Testleserinnen Ruth Löbner und Charlotte Lyne aus dem Autorenforum Montsegur, sowie bei Melanie Mezenthin, die mich an ihrem psychiatrischen Fachwissen teilhaben ließ. Am fachgerechten Untergang Dühnforts ist meine Schwester, eine passionierte Seglerin, nicht unschuldig: Danke, Bille!
    Meinen Mann und meine Kinder möchte ich nicht vergessen: Danke für eure Geduld und euer Verständnis und auch dafür, dass die Tür zum Arbeitszimmer zubleibt, wenn ich schreibe.
    * * *
    Die in diesem Roman beschriebenen Personen und Ereignisse sind Fiktion. Jegliche Übereinstimmung oder Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen oder Begebenheiten ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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