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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann
Autoren: Anaïs Goutier
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er meine vollgerümpelte Hang-It-All-Garderobe und den alten weißen Vitrinenschrank inspizierte, in dem meine Schuhe ihren Platz hatten.
    »Ich glaube, ich mag es, wie du wohnst«, sagte er schließlich.
    »Du darfst ruhig ehrlich sein, Ian. Ich vertrage Kritik und ich bin ziemlich sicher, dass mein chaotischer Einrichtungsstil nicht deinen Geschmack trifft.«
    »Du meinst also, ich stehe auf cremefarbene Teppichböden, Marmorwaschbecken und Boxspringbetten mit Tagesdecken, die farblich zu den Brokatvorhängen passen.« Es klang sarkastisch, fast beleidigt.
    »Immerhin hast du dir genau das ausgesucht.«
    Ich öffnete die Tür zu meinem Arbeitszimmer, das eher die Maße einer größeren Abstellkammer hatte. Trotzdem war ich glücklich über dieses dritte Zimmer, in dem kreatives Chaos herrschen durfte und in dem meine vielen Bücher in deckenhohen Regalen ihre Heimat gefunden hatten.
    »Ja, ich mag deine Wohnung eindeutig«, bekräftigte Ian, als er meine Laptop-Tasche auf dem Schreibtisch ablegte, auf dem noch eine aufgeschlagene Clovis-Trouille-Monografie lag.
    »Der Stilmix aus Designklassikern und schönen Dingen, mit dem alten Schreibtisch und der Jugendstil-Leuchte, die vielen Bücher, denen man ansieht, dass sie nicht zur Zierde hier sind, sondern dass mit ihnen gearbeitet wird, die kleinen Kostbarkeiten in den Regalnischen. Es ist genau so, wie ich es mir bei dir vorgestellt habe: lebendig, ungekünstelt und ganz du.«
    Ich lächelte und fühlte mich wirklich geschmeichelt.
    Dann jedoch fiel auch Ians Blick auf das Trouille-Buch und im gleichen Moment veränderte sich der Ausdruck in seinen schönen Augen.
    »Sie sieht dir ähnlich, Ann-Sophie. Wusstest du das?«
    »Wer sieht mir ähnlich?« fragte ich verwirrt.
    »Trouilles Justine.« Seine Stimme klang plötzlich kehlig.
    Ich schluckte, dann schüttelte ich vehement den Kopf.
    »Nein, das finde ich nicht. Trouilles Frauenfiguren sind Stereotypen, willige Pin-Ups und bildgewordene Männerfantasien.«
    »So kritisch, Ann-Sophie?« Er grinste spöttisch.
    »Sie ist an eine Säule gefesselt. Fremde Hände greifen nach ihr und sie trägt den Namen von de Sades Heldin, der die schrecklichsten Dinge widerfahren. Ich hoffe nicht, dass du mich so siehst.«
    »Sieh sie dir genau an, Ann-Sophie. Ist diese Justine ein Opfer? Ich glaube kaum. Sie ist eine sinnliche, wunderschöne Verführerin. Das wirkliche Opfer in diesem Bild ist der Löwe, der wehrlos von den Stricken am Boden gehalten wird und der das Objekt seiner Begierde nur gerade so eben mit der Schwanzspitze erreichen kann, um ihr Lust zu spenden.«
    Er nahm das Buch zur Hand und blätterte darin.
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das Gespräch hatte eine derart unerwartete Wendung genommen, dass ich nur abwarten konnte, was er als nächstes sagen würde.
    »Ich habe genau gesehen, wie du mich angeschaut hast, als du diese Bilder in deinem Vortrag gezeigt hast.«
    Der Blick seiner graublauen Augen brannte sich in meinen und ich musste unwillkürlich wegschauen.
    »Ich war neugierig auf deine Reaktion, Ian. Ich wollte wissen, ob es das ist, was dir gefällt.« Ich versuchte, kühl und abgeklärt zu klingen.
    »Nein, Ann-Sophie.« Er schüttelte seinen hübschen Kopf. »Da war Sehnsucht in deinem Blick. Du hast dich gefragt, ob es dir gefallen würde.«
    Seine schönen Augen glühten vor Verlangen.
    »Ich kann dir all das zeigen, Ann-Sophie. Diese bizarre Welt der bittersüßen Träume, in der Versklavung Freiheit, Strafe Verzückung und Schmerz höchste Lust bedeutet.«
    Meine Kehle war staubtrocken.
    »Du willst mich zu deiner Sklavin machen, Ian?« fragte ich fassungslos.
    »Nein. Jedenfalls nicht so, wie du es dir jetzt vorstellst. Ich will nicht, dass sich irgendetwas zwischen uns ändert. Wir sind einander von Anfang an auf Augenhöhe begegnet und das will ich nicht missen. Ich will dich nicht verändern, Ann-Sophie. Ich will deine Persönlichkeit, dein Selbstbewusstsein, deinen wachen, streitbaren Geist nicht gefährden. Vielmehr möchte ich sie noch wachsen und gedeihen sehen.«
    »Aber du willst, dass ich mich dir unterwerfe.« Meine Stimme bebte und klang fremd in meinen eigenen Ohren.
    »Ja«, sagte er ernst, ohne jeden Hauch von Ironie. »Ich will dich dominieren, dich züchtigen, dir meinen Willen aufzwingen. Und ich möchte dir deine geheimsten Wünsche erfüllen, dir Genüsse schenken und Lust bereiten, wie du sie noch nie zuvor erlebt hast.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich
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