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In Schönheit sterben

In Schönheit sterben

Titel: In Schönheit sterben
Autoren: J Goodhind
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auswendig hersagen, denn ihre Mutter hatte es ihr erklärt. Ihre Mutter erklärte es ihr ständig.
    Das Zimmer, das man ihr zugewiesen hatte, strahlte dieselbe Ruhe aus wie der Rest der Schönheitsfarm. Das Bett sah bequem aus, der Raum war in kühlen Farben gehalten, und durch das Nordfenster fiel reines, weißes Licht herein. »Künstler bevorzugen ja das reine, weiße Nordlicht«, erklärte Karen. Ein Künstler hatte das Honey einmal erzählt, als sie neunzehn oder zwanzig war. Er hatte damals versucht, sie dazu zu überreden, ihre Kleider abzulegen, damit er sie nackt malen konnte. Als er ihr Zögern bemerkte,hatte er flink begonnen, seine Staffelei aufzubauen und seine Kohlestifte auszupacken, und sich gleichzeitig über die Vorteile des klaren nördlichen Lichts für ihr jugendlich festes Fleisch ausgelassen. »Es wird aussehen wie Satin«, hatte er gesagt. »Ich kann mich auch ausziehen, wenn du dich dann wohler fühlst.«
    Rückblickend hätte es gewisse Vorteile gehabt, wenn der Künstler nackt gewesen wäre. Seine Kleidung roch penetrant nach Leinöl und Terpentin; ziemlich ekliges Zeug, nicht gerade vorteilhaft, wenn man jemanden verführen will. Sie hatte sich folglich auf seine sexuellen Annäherungsversuche nicht eingelassen. Seine wahren Absichten waren in der engen Hose nur zu offensichtlich gewesen, aber das hatte ihm alles nichts genutzt. Sie hatte einfach nichts für den Mann übrig gehabt und hatte ihm rasch Lebewohl gesagt.
    Der letzte Anblick, an den sie sich erinnerte, war der Maler, wie er mit aufgeknöpfter Hose und bereit zum Nahkampf da stand. Weil er die Hände am Reißverschluss hatte, war er gezwungen, zwei Pinsel im Mund zu halten.
    Sie hatte die Tür hinter sich zugeschlagen und vor Gott und allen Heiligen geschworen, sich niemals wieder auch nur entfernt mit einem Künstlertypen einzulassen. Aber den Spruch mit dem nördlichen Licht hatte sie nie vergessen.
    »Hier ist der Schrank.«
    Karen öffnete die Tür des schmalen Schranks, der säuberlich in einen Alkoven eingepasst war. Er war sehr schmal, kaum groß genug, um die wenigen Kleidungsstücke und die Tasche aufzunehmen, die Honey mitgebracht hatte.
    »Und hier sind Ihr Bademantel und die Hausschuhe. Wir halten es im Beauty Spot so, dass wir Ihnen wenige, aber luxuriöse Kleidungsstücke, in denen Sie sich hier wohlfühlen können, zur Verfügung stellen und dass alles, was zur Außenwelt gehört, vor der Tür bleibt. Wir sind der Ansicht, dass innere Ruhe die natürliche Grundlage äußerer Ruhe und daher der Schönheit ist.«
    Honey sagte nichts dagegen, schaute aber neugierig zu.
    Ein Frotteebademantel, so adrett präsentiert wie alles andere hier in diesem Spa, hing auf einem Kleiderbügel aus Buchenholz. Hier gab es keine schäbigen Plastik- oder Drahtbügel aus der Reinigung, o nein!
    Karen nahm den Bademantel und die Hausschuhe aus dem Schrank. Mit geschickten Händen breitete sie den Bademantel auf dem Bett aus, einen Ärmel ausgestreckt, den anderen ordentlich in den Gürtel gesteckt. Er wirkte beinahe wie eine Menschengestalt – als könnte er jeden Augenblick weglaufen oder sich in teuflischer Ektase öffnen, um zu offenbaren, was drinnen lauerte.
    »Sie sind für drei Uhr zur Hawaii-Schlamm-Therapie eingetragen. Die sollte etwa fünfzig Minuten dauern. Erst die Packung mit Algen, dann ein Ganzkörper-Anti-Aging-Bimssteinbad und eine Collagen-Schlamm-Maske.«
    »Ach, wirklich?«
    Honey pfiff ihre Phantasie bezüglich des Bademantels zurück.
    Karen lächelte zuckersüß, hielt den Kopf keck und aufreizend ein wenig zur Seite, wie eine neugierige Taube.
    »Wir bemühen uns immer, unseren Klienten die Behandlungen angedeihen zu lassen, die perfekt zu ihnen passen. Deswegen stellen wir auf unserem Formular so viele persönliche Fragen. Wenn irgendwas nicht Ihren Bedürfnissen entspricht, können wir natürlich immer über Alternativen reden. Aber das sollte wirklich nicht nötig sein. Wir sind stolz darauf, dass wir sehr genau arbeiten, und ich bin sicher, Sie werden mit uns einer Meinung sein, dass wir eine gute Auswahl für Sie getroffen haben.«
    Während sie sprach, lächelte Karen Pinker zuckersüß weiter, immer mit Schmollmündchen. Die Botoxbehandlung hielt alles in Form, vermutete Honey.
    »Ach wirklich?«, fragt Honey. »Und wie finden Sie das heraus?«
    »Zum größten Teil hängt es vom Lebensalter ab. MancheBehandlungen sind eher für den jungen Teint geeignet. Die Algenpackung, die Collagen-Schlamm-Maske und
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