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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
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sämtliche Motorhauben blickten uns entgegen – eine Einbahnstraße. Bis auf den grauen Betonklotz am oberen Ende des Blocks waren die Häuser hier in gedämpften Farben gehalten, in Mattbraun, Zartgrau, Altrosa, immer mit Weiß abgesetzt, und bei ausnahmslos allen wölbten sich in den oberen Stockwerken unterschiedlich gestaltete Erker vor, die zusammen mit den vereinzelt stehenden Laubbäumen dem Straßenzug etwas Verspieltes gaben. Auf der Hyde Street fuhr mit dröhnendem Dieselmotor ein Bus vorbei, und aus der Ferne hörte ich die Sirene eines Polizei-, Feuerwehr- oder Rettungswagens, die genauso jammernd klang wie in amerikanischen Krimis. Sonst war es still.
    Neben dem hellbraunen Eckhaus mit seinen kantigen Linien und der vergitterten Einfahrt zur Tiefgarage wirkte das zweite Haus in der Zeile, gelb wie Vanillepudding, fast ein bisschen altmodisch. Um den halbrunden Erker in der Mitte waren Gitterplattformen mit verschnörkeltem Geländer und Feuerleitern angebracht, und weiße Ornamente aus Stuck schmückten den Zwischenraum unter den hohen, zweigeteilten Fenstern der vier durchgängigen eckigen Erker, die sich zu beiden Seiten anschlossen; die Fassade des Erdgeschosses bestand dagegen aus Backsteinen in einem sanften Graubraun. Obwohl es erst Nachmittag war und draußen die Sonne schien, brannte die Lampe über der verglasten Front des Eingangs mit den fast schwarzen Rahmen, und die schlanken weißen Säulen links und rechts waren mit Tannengirlanden aus Plastik umwickelt, in denen rote Glaskugeln hingen.
    »Komm, ich trag ihn dir hoch.« Ted streckte die Hand nach meinem Trolley aus.
    »Danke, kann ich selber«, murrte ich. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich am Fenster unmittelbar über uns die Gardine bewegte.
    Ted seufzte, ging dann aber mit seinem Koffer voraus, während ich meinen mit beiden Händen packte und Stufe für Stufe an dem zierlichen schmiedeeisernen Treppengeländer vorbei hinaufschleifte. Schnaufend kam ich oben an und mein Blick blieb auf den glänzend polierten Ziffern aus Messing über der Tür kleben. 1474, Sacramento Street. Meine neue Adresse.
    Ted hatte seinen Schlüsselbund hervorgenestelt und schloss auf; mit einem kurzen Blick auf die beschrifteten Klingelknöpfe stellte ich fest, dass hier eine Menge Leute wohnten, grob geschätzt waren es wohl um die vierzig Parteien.
    Auch in der großzügigen Halle mit den vanillegelben Wänden und braunen Türen waren die Deckenlampen eingeschaltet und verbreiteten ein gedämpftes Licht, dazu blinkten die Lämpchen des mit Unmengen von Glitzerkram behängten riesigen Christbaums auf der rechten Seite hektisch. Eine auf antik gemachte, glänzende Steinbank stand im Winkel neben der Eingangstür; im Spiegel dahinter erhaschte ich einen Blick auf mich, rotgesichtig und verschwitzt, meine Haare auf der einen Seite platt gedrückt, auf der anderen zerzaust, und ich streckte mir selbst die Zunge heraus. Vor einem endlosen Gang mit zahlreichen Türen drückte Ted neben der breiten Treppe mit dem weiß lackierten Geländer auf den Knopf der beiden Aufzüge. Während ich noch überlegte, ob die glänzenden braun-weißen Steinfliesen, auf denen die Trolleyräder ratterten wie Knallfrösche, tatsächlich aus Marmor sein könnten, hörte ich hinter uns eine Tür aufgehen.
    »Ah, Professor Fowler, Sie sind zurück!«
    »Hallo, Mrs Hanson«, erwiderte Ted freundlich, und jetzt drehte auch ich mich um.
    Im Türspalt stand eine mollige Frau, die gut an die siebzig war und deren zu sorgfältigen Löckchen gelegtes Haar in einem Lilaton schillerte, der perfekt auf ihren Jogginganzug aus glänzendem Material abgestimmt war. Aus der Wohnung hinter ihr drang überlaut eine aufgeregte Männerstimme in breitestem Amerikanisch, gefolgt von einem schwungvollen Werbejingle; offenbar lief der Fernseher oder ein Radio.
    »Wie schön, Sie haben uns wirklich gefehlt!«, rief sie aus, ein strahlendes Lächeln auf ihrem runden, zerknitterten Gesicht. »Hatten Sie einen guten Flug?« Neben ihren Turnschuhen mit dem breiten Streifen in Metalliclila schob sich ein riesiges weißes Plüschknäuel durch den Türspalt: eine Monsterkatze, die mich interessiert aus ihren gelben Augen anblinzelte, bevor sie sich schnurrend am Türrahmen zu reiben begann.
    »Ja, danke.« Ted machte eine Geste mit der flachen Hand zu mir hin. »Meine Tochter Amber. – Mrs Hanson, die gute Seele des Hauses.«
    »Aber nicht doch«, erwiderte sie und winkte unter einem leisen Lachen verlegen ab;
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