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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Takt der Popmusik aus dem Radio mit dem Kopf vor und zurück ruckte und seine Finger einen schnelleren Beat auf das Lenkrad trommelten, rollte über die Kreuzung vor uns gemütlich eine grüne und silberne Straßenbahn, die mit ihrer sanft gerundeten Karosserie und den kleinen Scheiben einer altmodischen Spielzeugbahn ähnelte. Am Fuß einer Straßenlaterne war ein Fahrrad angekettet, dessen Rahmen flauschiger blauer Flokatistoff überzog, und eine nicht mehr wirklich junge Frau mit wasserstoffblonder Plustermähne führte in einem pinkfarbenen Nickianzug, auf dem eine goldene Stickerei glitzerte, ihre drei weißen Zwergpudel aus. Die Ampel wechselte auf Grün und das Taxi tauchte durch Häuserschluchten hindurch.
    Dahinter lockerte sich das Straßenbild auf. Klassische Bauten mit Säulen und Kuppeln standen etwas zurückgesetzt vom Fahrbahnrand, blendend weiß und majestätisch wie Tempel der Antike in ihrer Glanzzeit. Ich hätte erwartet, dass Ted dazu etwas sagen würde, doch er blieb weiterhin stumm, und obwohl ich gern gewusst hätte, was das für Bauwerke waren, fragte ich ihn nicht danach; einige Wimpernschläge später waren wir auch schon daran vorbeigefahren.
    Die meisten der oft steil ansteigenden und dann wieder abfallenden Straßenzüge, in die das Taxi der Reihe nach einbog, bestanden aus schmalen, Wand an Wand aneinandergebauten Häusern mit Erkern und hohen Fenstern unter den flachen Dächern. Mal schlicht und schmucklos, mal mit allerlei Schnickschnack in Form von Stuckbordüren und verzierten Simsen, hatten sie immer ihre bunt angestrichene Fassade gemeinsam, in Himmelblau, Primelgelb, Lavendel oder Mintgrün, Veilchenlila, Rosa oder sogar Knallpink. Wie auf einer Postkarte. Wirklich außergewöhnliche Farben, die sich dann aber in immer neuer Reihenfolge wiederholten, genau wie die Laubbäume oder Palmen auf den Bürgersteigen, die Kletterpflanzen und die in Fuchsia und Violett blühenden Sträucher an den Hausfassaden. Irgendwie sahen hier alle Straßen gleich aus.
    Einige Häuserblocks weiter preschte unser Taxi eine Steigung hinauf, und ich hätte schwören können, dass es auf der Kreuzung dahinter mit dem Fahrgestell aufsaß. Gleich darauf bremste der Fahrer abrupt, und ich keuchte auf, als ich nach vorne geschleudert wurde und der blockierende Gurt mir schmerzhaft in den Oberkörper schnitt. Von rechts kroch unter metallenem Rattern und Glockengebimmel ein nach allen Seiten offenes kastenförmiges und sehr nostalgisch aussehendes Gefährt aus Holz heran: einer der berühmten Cable Cars von San Francisco, vollgestopft mit Fahrgästen, die im Vorbeifahren eifrig mit ihren Kameras und Handys die Aussicht knipsten. Unser Fahrer rutschte ungeduldig auf seinem Sitz herum, bis der Cable Car vorbeigezuckelt war, dann gab er Gas. Das Taxi bollerte über die Schienen und kam gerade noch so vor einem flott heranfahrenden Auto über die Kreuzung.
    »Dort vorne an der Ecke können Sie uns rauslassen«, wies Ted den Fahrer an, der daraufhin erstaunlich sanft an einem beigefarbenen Haus mit weißen Fensterrahmen hielt. »Steig bitte auf dieser Seite hier aus«, wandte sich Ted an mich, bevor er die Tür öffnete.
    Wir waren da.

2
    Mit weichen Knien kletterte ich aus dem Taxi. Das schmale Straßenschild über der Fußgängerampel verriet, dass die Querstraße, auf der ich stand, »Hyde« hieß, und während der Fahrer bei laufendem Motor unser Gepäck aus dem Kofferraum wuchtete und Ted ihn bezahlte, schulterte ich meinen Rucksack und besah mir das Haus vor mir genauer. Unter dem schnörkeligen Schriftzug Lilypad mit einer endlos langen Telefonnummer und dem Logo einer Seerose waren die Tüllgardinen der Schaufensterscheiben im Erdgeschoss malerisch zusammengerafft. Neonbuchstaben verkündeten rot glühend OPEN , und ein Klappschild auf dem Bürgersteig listete rot auf weiß die Dienstleistungen bei Lilypad auf: Spa Manicure. Spa Pedicure. Skin Care. Waxing. Body Massage. Da sollte ich wohnen?
    »Schönen Tag noch!«, rief der Taxifahrer, sprang in den Wagen und brauste davon, um wenige Augenblicke später mit kreischenden Reifen irgendwo abzubiegen.
    »Sind nur noch ein paar Schritte«, erklärte Ted. »Das zweite Haus auf der linken Seite ist es. Soll ich deinen Koffer nehmen?«
    Ich schüttelte den Kopf und hievte meinen Trolley den Bordstein hinunter. Wir überquerten die Fahrbahn und stapften dann bergan.
    Laternenpfosten und Stoßstange an Stoßstange parkende Autos säumten die steile Straße;
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