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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Tonfall verkündete: »Hier wären wir also!«

3
    Der schmale Flur mit den weißen Wänden und dem polierten Holzboden machte einen scharfen Knick nach links. Durch den Türrahmen direkt vor mir blickte ich geradewegs auf den riesigen weißen Kühlschrank in der Küche; von rechts fiel durch eine Milchglasscheibe sanftes Licht auf einen Wandschrank und ein schwarz lackiertes Sideboard. Vor einem säuberlich aufgeschichteten Stoß ungelesener Zeitungen stapelte sich ungeöffnete Post und der Anrufbeantworter neben dem Telefon blinkte aufgeregt; achtzehn Nachrichten zeigten die Digitalziffern an. Ted atmete tief durch und stellte seinen Rucksack auf dem Boden ab.
    »Ich denke, ich zeige dir am besten erst mal das Apartment.« Er klang unsicher und wirkte erleichtert, als ich nickte.
    »Also, das ist die Küche«, erklärte er unnötigerweise, als er mit mir geradeaus in den Raum mit den sonnengelben Wänden und den weißen, teils verglasten Oberschränken trat. »Wie du sicher schon gemerkt hast«, fügte er mit einem nervösen Auflachen hinzu. »Mrs Ramirez kommt zweimal die Woche zum Saubermachen und wir haben auch eine Spülmaschine.« Ted stützte die Hand auf die Arbeitsfläche zwischen der Spüle und dem Gasherd, auf der eine schicke Kaffeemaschine mit passendem Toaster und eine Mikrowelle standen. »Meine Wäsche habe ich bis jetzt immer in Leroy’s Waschsalon gebracht.« Mit dem Daumen deutete er hinter sich. »Das ist nur einen Katzensprung von hier und die haben abends auch lange auf. Aber wenn du willst, schaffen wir uns eine Maschine an. Wir müssen allerdings erst einen Platz dafür finden.« Fragend sah er mich an, und als ich mit den Schultern zuckte, löste er sich von der Küchenzeile. »Unter der Woche wirst du in der Schule zu Mittag essen«, fuhr er fort, während er an dem Tisch mit den zwei Stühlen vorbei zu der Glastür am Ende der Küche ging. »Wenn du magst, kannst du dort auch abends was bekommen. Oder wir essen hier zusammen, sobald ich von der Uni zurück bin. Ich kann ganz gut kochen, vor allem asiatisch. Das hier«, er zog den Vorhang zur Seite und öffnete die Glastür, »ist der Balkon.«
    Ich trat zu ihm und betrachtete den winzigen Vorbau mit der hohen Brüstung, auf dem man gerade noch so zu zweit stehen konnte. Die Hauswand gegenüber gehörte offenbar noch zum selben Gebäude und war so nahe, dass man ohne die Jalousien und Vorhänge problemlos den Nachbarn bei ihren Alltagstätigkeiten hätte zusehen können. Das hob ebenso wenig meine Stimmung wie der Blick hinunter auf den handtuchschmalen Innenhof, in dem ein paar kümmerliche Bäumchen wuchsen. Sehnsüchtig dachte ich an unseren Balkon zu Hause, den Mam jeden Frühsommer üppig bepflanzt hatte, mit Fleißigen Lieschen, Ringelblumen, Männertreu und Lavendel, manchmal auch mit Tomaten und Himbeeren, und den weiß blühenden Oleander hatte sie jedes Jahr aus seinem Winterquartier im Keller heraufgeschleppt und dazugestellt. Trotzdem war noch genug Platz gewesen für zwei Liegen und einen Sonnenschirm, unter dem wir sonntags lasen und faulenzten, und in meinen Schulferien waren wir mit Gabi oft bis in die Nacht hinein draußen gesessen und hatten über die Schule und das Leben gequatscht.
    »Nebenan«, fuhr Ted fort und schloss die Balkontür, »ist das Wohnzimmer.«
    Ich folgte ihm durch den Türrahmen neben dem Kühlschrank in einen großen Raum mit quadratischem Grundriss, in dem das cremefarbene Sofa und die beiden dazugehörigen Sessel samt Couchtisch aus Glas ein bisschen verloren wirkten. Denn die Schrankwand, die eine Seite des Zimmers einnahm, war noch so gut wie leer. Davor stapelten sich Dutzende Umzugskisten und lang gestreckte Kartons, die Möbelteile zum Zusammenbauen enthielten, genauso vor dem Sideboard voller Technikkram rechts von mir, auf dem ein brandneuer Flatscreen stand; bereits zusammengeschraubte CD -Regale lehnten notdürftig an der Wand neben der zweiten Tür des Wohnzimmers. Es roch nach Pappe, frischem Holz und neuem Stoff, und auch ein Hauch von Wandfarbe hing noch in der Luft. Ich wusste, dass Ted noch nicht lange hier wohnte, noch nicht einmal ein Jahr, seitdem er seine Professur an der San Francisco State University angetreten hatte.
    »Tut mir leid, dass es hier noch so aussieht«, sagte er und kratzte sich mit schuldbewusster Miene an der Schläfe. »Gleich zu Anfang hatte ich an der Uni eine Menge um die Ohren und nach Karens Anruf gab es so viel zu besprechen und zu regeln. Ich dachte, ich
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