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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren
Autoren: Héctor Tobar
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Scotts Aufgaben damals gehörte es auch, die Flecken mit dem Gartenschlauch wegzuspülen. Die Häuser im Viertel seiner Jugend waren eine Ansammlung fadenscheiniger Holzkästen, zusammengehalten von Tapete und Kunstharz, Häuser, die wie zufällig auf eine Kuhwiese abgeworfen worden waren. Die Laguna Rancho Estates dagegen waren etwas ganz anderes. Als Scott dieses Haus zum ersten Mal besichtigt hatte, war der Rasen noch nicht gepflanzt gewesen, er hatte die mexikanischen Arbeitstrupps mit großen Soden St.-Augustin-Gras anrücken sehen. In fünf Jahren hatten die Wurzeln ein dichtes, lebendiges Geflecht im Boden gebildet, und er hatte sich nun bemüht, den Schnitt gerade aussehen zu lassen, was ihm allerdings nicht wirklich gelungen war. Nachdem er das Gras zusammengeharkt hatte, bemerkte er die Halme, die an seinen schweißnassen Armen klebten, und als er sie abwischte, kam ihm der Gedanke, dass jeder Halm einen Cent wert sei, wenn man bedachte, wie viel er dadurch sparte, dass er den Rasen selbst mähte.
    Vor zwei Wochen hatte er ausgerechnet, was er dem Gärtner im Lauf eines Jahres zahlte, und war überraschenderweise auf eine hohe vierstellige Summe gekommen. Das Problem bei diesen mexikanischen Gärtnern war, dass man sie bar bezahlen musste; man musste ihnen am Ende des Tages tatsächlich ein paar grüne Scheine in ihre schwieligen Finger drücken. Es gab nur einen Weg, das zu vermeiden: in die Sonne hinauszugehen und selbst anzupacken. Es war einfach zu teuer, sich diese hart arbeitenden Mexikaner ins Haus zu holen; schlussendlich summierten sich die vielen Stunden, die sie schufteten, ohne sich zu beschweren. Das war auch das Problem mit Guadalupe gewesen: zu viele Stunden.
    Scotts Eltern waren sparsame Leute, und Pepe, der Gärtner, war ihnen nicht unähnlich: Das erkannte Scott daran, wie gründlich und aufmerksam er die Scheine zählte. Pepe strich jeden Betrag, den er entgegennahm, mit einem Bleistiftstummel von einer Liste, die er auf einem unweigerlich schmuddeligen Zettel notiert hatte. Scotts Vater war Mexikaner, und das war im Kalifornien seiner Jugend gleichbedeutend mit Armut gewesen; seine Mutter mit ihrem kantigen Kinn war eine Rebellin aus Maine gewesen, wo strenge Ausgabendisziplin zum protestantischen Standard gehörten. Nutze deine Dinge, oder komm ganz ohne klar. Scott erinnerte sich an seine verstorbene Mutter, wie sie im Eingang des Hauses in South Whittier stand, unter dem Baldachin des Olivenbaumes, und ihm dabei zusah, wie er sich seine fünf Dollar verdiente. Und als er in der Gegenwart den Blick zurückwandte und sein eigenes weißes Haus vor sich aufragen sah, da kam es ihm vor, als würde er nach einer langen Sauftour erwachen und erkennen, was er im Rausch angerichtet hatte. Sein Heim war ein sonnensatter Safe geworden, voll mit all den Dingen, die Maureen und er erworben hatten: der Couchtisch handgefertigt von einem Künstler aus Pasadena, aus patinierter mexikanischer Kiefer und mit mehreren dicken, blasigen, handgezogenen Glasscheiben; die schmiedeeisernen Wandgitter, importiert aus der Provence, das Chesterfield-Sofa aus grünem Leder; ein handgetischlertes Kinderbett aus der Tschechischen Republik.
    Wir haben uns schlecht benommen und unser Geld nicht gut angelegt. Scott hielt diesen Gedanken fest, während er den knarrenden, abkühlenden Mäher in die Garage rollte und dabei eine sanfte, halb niedergeschlagene Befriedigung empfand. Ich habe den gottverdammten Rasen selbst gemäht. War auch keine Wissenschaft. Er ging wieder ins Haus, und seine mexikanische Hausangestellte zeigte ihm ein eigenartiges Lächeln, dessen unterschwellige Bedeutung er nicht lesen konnte. Diese Frau neigte eher dazu, einen zu ignorieren, wenn man sie morgens begrüßte, oder sie zog die Mundwinkel missbilligend nach unten, wenn man einen Vorschlag machte. Trotzdem konnten er und Maureen sich glücklich schätzen, sie als letzte Hausangestellte behalten zu haben. Araceli war neben Scott der einzige Mensch im Haus, der etwas von Sparsamkeit verstand: Sie vergaß nie, die Essensreste in Tupperdosen aufzubewahren; sie benutzte die Einkaufstüten aus dem Supermarkt ein zweites Mal und knipste den ganzen Tag die Lampen aus, die Maureen und die Kinder angelassen hatten. Scott war nie im Inneren Mexikos gewesen, wo Araceli herkam, und auch in der Heimat seiner Mutter im nördlichen Maine nur einmal, doch er hatte das Gefühl, dass beide Landstriche nüchterne Menschen mit kleinen Rechenmaschinen im Kopf
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