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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren
Autoren: Héctor Tobar
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Strohhut auf, holte ein Paar steife Gartenhandschuhe sowie einige verrostete Werkzeuge und beschloss, die Chemikalienflaschen in der Garage zunächst noch zu ignorieren. Dann ging sie auf le petit Regenwald zu und sah deutlich die Fingerhirse, die den trockenen Boden um die Bananenstaude bedeckten. Man bekam die Blütenflocken ziemlich leicht mit der Hacke weg, und Maureen legte los, eine rhythmische Bewegung mit geradezu therapeutischer Wirkung. Schnell, schnell, ehe die Kleine zu schreien anfängt. Maureens schlechtes Gewissen meldete sich, als sie an Guadalupes Abschied dachte, sie bereute, ihren Söhnen nicht erzählt zu haben, dass ihr Kindermädchen nie zurückkehren würde. Samantha würde Guadalupe rasch vergessen, die Jungen jedoch nicht; nach fünf Jahren hatte die Mexikanerin tatsächlich »zur Familie« gehört – was zwar nach einer abgedroschenen Phrase klang, tatsächlich aber zutraf. Ihre Söhne hatten eine Erklärung verdient, doch allein der Gedanke an das ausstehende Gespräch schnürte Maureen die Kehle zu: Wie lange konnte sie die Lüge von Guadalupes »Urlaub« noch aufrechterhalten?
    Maureen beschleunigte ihren Schritt. Sie nahm den Gartenschlauch von der Seitenwand des Hauses und ließ den Wasserstrahl über die gerippten Blätter der Banane laufen. So eine Pflanze lohnte sich allein wegen der breiten Bögen und der Umrisse der Blätter. Das war der ursprüngliche Anstoß gewesen, le petit Regenwald überhaupt anzulegen: die ockergelbe Ziegelmauer dahinter zu verstecken und die Illusion zu erzeugen, dass die Bananenstauden und tropischen Pflanzen der Anfang einer Dschungelfläche wären, in der wilde Stämme lebten und Lianen über die Metallkörper von abgestürzten Flugzeugen wucherten. Nach einer kurzen Sprühdusche sah der mexikanische Trauerbambus schon viel gesünder aus, auch wenn Maureen nicht genug Zeit hatte, um die abgestorbenen Blätter wegzuharken. Wenn sie regelmäßig an die Bewässerungen dachte und einen Sack ökologischen Rindenmulch besorgte – Tropengärten brauchten doch Rindenmulch, oder? –, dann könnte sie le petit Regenwald womöglich bis zu Keenans Geburtstag wieder in Form bringen.
    Mit Aracelis Hilfe würden sie es schon bis zum Tag der Feier schaffen. Es sollte eine Geburtstagsfeier und zugleich die jährliche Zusammenkunft der alten Mannschaft von MindWare werden – dem Unternehmen, das ihr damals noch zukünftiger Ehemann vor genau zehn Jahren im Wohnzimmer von Sasha »Big Man« Avakian gegründet hatte, einem redseligen Charmeur und Verkaufsgenie aus Glendale. Achtzehn Monate später war Maureen ins Unternehmen eingetreten, als allererste »Personaldirektorin«, was sie in jenen chaotischen Tagen zu einer Art Gruppenbetreuerin der Firma gemacht hatte. Inzwischen war MindWare an Leute verkauft worden, die nicht mehr mit Leinenturnschuhen zur Arbeit kamen. Die etwa zwanzig Pioniere, die damals bei der Geschäftsgründung dabei gewesen waren, hatte es in alle Winde der unternehmerischen Tollheit oder Konzernsklaverei verstreut. Wenn das »dynamische Duo und seine treuen Jünger« wieder vereint waren, kam Scott zumindest ein bisschen aus sich heraus, und auch deshalb machte Maureen jede Party zu einer Übung in Perfektionismus.
    Sie ging wieder nach drinnen, wo Samantha ihre Wange auf Aracelis Schulter ruhen ließ und schläfrig-verträumt aus dem großen Panoramafenster schaute. Araceli liefen die Schweißtropfen von der Stirn. Sie hat das Baby die ganze Zeit auf dem Arm gehabt. »Vielen Dank, Araceli«, sagte Maureen, als sie ihr die Last abnahm.
    Als sie Samantha ins Spielzimmer trug, fiel ihr ein Streifen Grün ins Auge: Ihr Mann hatte eine Spur von gemähtem Gras auf den Saltillo-Fliesen im Wohnzimmer hinterlassen. Sie folgte den Halmen über den Flur zu den Schlafzimmern und schließlich zu seinem »Spielezimmer«, sie berührte die Spur mit den Spitzen ihrer ledernen Zehensandalen. Ehe sie Araceli rufen konnte, war die Mexikanerin schon mit Besen und Fegeblech erschienen und hatte die Grashalme zu einem handtellergroßen Häufchen zusammengekehrt. Was die Pflichten des Haushaltes anging, dachten Maureen und Araceli gleich. Araceli zu behalten und Guadalupe zu entlassen war noch das positivste Detail der Wir-sind-pleite-Geschichte, auch wenn Scott sie noch immer nicht ganz hatte überzeugen können, dass ihnen tatsächlich der Bankrott drohte. Der Verlust von Guadalupe und Pepe war zum ungünstigsten Zeitpunkt und sehr plötzlich gekommen, und als
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